Brennender Beat-Teppich fürs Herz
NÜRNBERG Am Mittwoch Mittag verspeiste ich eine üppige Schlachtschüssel. Leberwurst, Blutwurst, eine Scheibe Kesselfleisch und Sauerkraut drückten mir den Bauch rund. Rein rechtmäßig hätte ich den Rest des Tages mit fröhlichem Verdauen verbringen können. Metzger Gunther versteht sein Handwerk.
Stattdessen drückte der Weltschmerz auf mein Herz. Ich haderte mit allem. Der Himmel trübte sich merklich ein. Es war schwül und schlimm.
Am Abend fuhr ich ins E-Werk nach Erlangen. Elf Männer zum Großteil in schwarzen Hemden und Hosen mit schwarzen kurzen Haaren und leichten Bartstoppeln betraten die Bühne und zerstäubten schon mit den ersten drei Takten meine schlechte Laune.
Eine ungestüme Feier des Lebens begann im Augenblick. Sie standen verstreut, bewegten sich ohne eingeübte Choreografie in einer gelassenen Selbstverständlichkeit. Mahala Rai Banda aus Rumänien jagten mit ihren goldenen Hörnern meine Verdrossenheit zum Teufel.
Schlagzeug, Posaune, Tuba, Bariton und Tenor Horn webten im Hintergrund einen bunten, brennenden Beat-Teppich, der mich kräftig am Herz – und am Arsch – packte. Darüber blies Oprica Viorel mit seiner wilden Trompete die grauen Wolken vom Himmel. Engel hatten Tränen in den Augen und grinsten verzückt.
Ionita Aurel brauchte nur ein bisschen zu winken, schon sprangen die begeisterten Hühner. Ein ganzer Saal raste mit Vollgas über die Grenzen der Vernunft. James Brown tanzte auf seiner Wolke.
Einen Moment hörte ich bayerische Blasmusik im schnellen Galopp aufblitzen. Ist das Charleston, Attwenger, Zirkus, Dixie, New Orleans? Eine kleine Geige zischte dazwischen.
Bittersüß wie türkisches Konfekt sang Herr Florentina Sandu und rappte und rief mit Leidenschaft von Sehnsucht, Wüstenstaub, Liebe und Schmerz. Ionita Florinel klang mit seinem Akkordeon plötzlich wie eine Querflöte, die verschlungene Arabesken zauberte. Ich hatte Schnapsdurst.
„The Mahala Rai Banda ist the supergroup of Roma Pop“, steht auf dem aktuellen Album „Ghetto Blasters“. Leck mich am Eimer, das ist nicht übertrieben! Fanfare Ciocarlia sind blutsverwandt.
Kusturica-Filme liefen in meinem Kopfkino. Ein älterer Herr legte sein Instrument beiseite und tanzte auf der Bühne. Das Publikum war glücklich und schön.
Wir tanzten und schwitzten und klatschten und jubelten – und vergaßen die Kratzer im Lack, das verpasste Glück und sogar unsere herzlose Kanzlerin.
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