Braucht keine Baugenehmigung: Paar vom Ammersee entwickelt Stelzenhaus

Ein bayerisches Paar revolutioniert das Wohnen mit innovativen Baumhäusern auf Stelzen. Diese nachhaltigen Rückzugsorte bieten nicht nur eine Antwort auf die Wohnraumkrise, sondern verbinden Natur und modernes Design auf einzigartige Weise.
von  Leonie Fuchs
Max Seeberger schaut aus seinem Baumhaus auf Stelzen. Für ihnen bedeuten diese Wohnräume Ruhe.
Max Seeberger schaut aus seinem Baumhaus auf Stelzen. Für ihnen bedeuten diese Wohnräume Ruhe. © Stiltlife

Baumhäuser können besondere Rückzugsorte für Kinder sein. Doch Antonia Cruel und Max Seeberger träumen ebenfalls vom Schlafen unter den Wipfeln. Warum sollen nicht auch Erwachsene zwischen den Ästen der Bäume Waldbaden können? Mit seinem kleinen Sohn ist das Paar nach Herrsching am Ammersee gezogen, um dort sein Start-up Stiltlife zu realisieren.

Die beiden haben ein mobiles Stelzenhaus entworfen. Ein erster Prototyp, 7,5 Meter lang, 2,50 Meter breit, drei Tonnen schwer und auf drei Meter hohen Stelzen thronend, wartet bereits auf seine Vermietung. Sind mobile Stelzenhäuser die Antwort auf den überlasteten Wohnungsmarkt?

Cruel (31) und Seeberger (36) haben sich vor fünf Jahren kennengelernt und arbeiten seitdem auch gemeinsam. Sie hat Architektur an der Technischen Universität München und der ETH in Zürich studiert, er Innovation und Entrepreneurship, ebenfalls an der TUM.

"Wir brauchen Häuser wie Bäume und Städte wie Wälder"

"Toni hat sich in der letzten Zeit mit der Mehrfachnutzung und ich mich mit der Renaturierung von Flächen und nachhaltigen Urlaubsimmobilien beschäftigt. Entstanden ist daraus unser neues gemeinsames Projekt, die mobilen Stelzenhäuser", erzählt Seeberger.

Antonia Cruel und Max Seeberger haben das Start-up Stiltlife gegründet.
Antonia Cruel und Max Seeberger haben das Start-up Stiltlife gegründet. © privat

Das Paar möchte zukunftsfähige, regenerative Wohnräume schaffen. "Ich hatte immer das Bild vor Augen, dass wir Häuser wie Bäume brauchen und Städte wie Wälder", sagt Seeberger. Und Cruel ergänzt: "Wir wollten eine Gebäudekategorie entwerfen, die zusätzliche Nutzungsfläche hinzufügt, ohne dass sie einen negativen Einfluss auf ihr Umfeld hat." Entstanden ist das Stelzenhaus, ein "elevated space", das mobil ist und damit temporäre Nutzungsbedingungen erfüllen kann.

Zudem benötigt es durch die Bauart und seine Größe von 18 Quadratmetern kein herkömmliches Fundament und somit auch keinerlei Baugenehmigung. Das Paar arbeitet mit der TU München zusammen und wird vom Bundesministerium für Wirtschaft, dem Land Bayern sowie der Audi Umweltstiftung gefördert. Die den Häusern zugrunde liegende Konstruktion ist zum Patent angemeldet.

Die Baumhäuser stehen auf drei Meter hohen Stelzen

Künftig sollen die Baumhäuser entweder als ländliches Urlaubsdomizil vermietet werden, für Wochenendtrips zu zweit, Einzelpersonen oder kleine Familien. Doch auch eine Nutzung im urbanen Raum ist langfristig geplant – als Ergänzung auf Brachflächen. Denn die Baumhäuser stehen auf drei Meter hohen Stelzen. "Unter ihnen könnte ein Wochenmarkt stattfinden, ein Parkplatz liegen oder ein Fußgängerweg verlaufen", sagt der Familienvater. Baumhäuser, so Seeberger weiter, würden eine wahnsinnige Ruhe in den städtischen Alltag bringen.

Ein erster Prototyp: 7,5 Meter lang, 2,50 Meter breit, drei Tonnen schwer.
Ein erster Prototyp: 7,5 Meter lang, 2,50 Meter breit, drei Tonnen schwer. © stiltlife

Ein Stelzenhaus soll dabei wie ein Baum funktionieren und einen positiven Einfluss auf seine Umgebung haben. Nur naturnahe, recycelbare Baustoffe kommen zum Einsatz. Beim Prototyp wurden die Kanten abgeschrägt, um mehr Licht in den Innenraum zu lassen und andererseits auf der schrägen Unterseite einen Habitat-Raum für Vogelnistplätze zu schaffen.

Stelzenhäuser sind autark und fördern Biodiversität

Dunkle Hölzer im Inneren des Baumhauses sorgen dafür, dass Lichtsmog vermieden wird. Das ganze Haus besteht in seiner Konstruktion aus Holz. Durch eine große Holzfensterfront ist der Besucher der Natur besonders nahe. Die Fassade besteht zudem aus 100 Prozent natürlichem Kork, einer Art "natürlichen Rinde des Hauses". Durch dessen Struktur werden ebenso Mikrohabitate für Insekten geschaffen. Die Korkplatten von der Fassade werden nach einer Zeit ausgetauscht, denn sie verfallen auf natürliche Weise und hinterlassen so keinen Müll.

Zudem können die Stelzenhäuser autark betrieben werden. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach liefert Sonnenenergie für den Betrieb, Regenwasser wird über das Dach gesammelt und für den Gebrauch aufbereitet. Leitungswasser aus einem Trinkwassertank wird über die Stelzen zum Innenraum befördert. Es gibt eine Komposttoilette und eine wassersparende Kreislaufdusche.

Große Fenster sollen dafür, dass sich Besucher der Natur ganz nah fühlen.
Große Fenster sollen dafür, dass sich Besucher der Natur ganz nah fühlen. © Stiltlife

Zunächst soll nun der Prototyp des Paares vermietet werden, der Fokus liegt auf der Tourismusbranche. "Für Landwirte zum Beispiel sehen wir durch die mobilen Stelzenhäuser die Möglichkeit, leicht in den Urlaubstourismus einzusteigen", erzählen die beiden. Ihr Prototyp soll erstmals im Frühjahr 2026 in der Region Ammersee als Micro-Retreat für Städter angeboten werden.

Interessierte können sich bereits jetzt schon auf der Stiltlife-Webseite für einen Testlauf im ersten Stelzenhaus-Modell anmelden und sich für eine oder mehrere Übernachtungen zwischen den Ästen der Bäume einbuchen. Die Kosten dafür starten pro Nacht ab 120 Euro.

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