Bleibt der qualvolle Tod des kleinen Ali (5) ungesühnt?
Bub erstickte nach einer harmlosen Operation – Staatsanwalt wollte das Verfahren einstellen.
NÜRNBERG Bleibt der Tod des kleinen Ali (5), der nach einer harmlosen Operation qualvoll sterben musste, ungesühnt?
Die Nürnberger Staatsanwaltschaft, so berichtet der Anwalt der Familie, hat offenbar die Absicht, das Ermittlungsverfahren trotz dubioser Begleitumstände einzustellen.
Junge erstickte an Blutungen
Der schicksalhafte Tag, der das harmonische Leben der ganzen Familie auf den Kopf stellte, liegt eineinhalb Jahre zurück. Damals wurden dem Jungen aus Mögeldorf in einer Arzt-Praxis in der Innenstadt Polypen im Hals entfernt. Doch der medizinische 08/15-Vorgang geriet zum Desaster (AZ berichtete).
Nicht der Eingriff selbst steht im Zentrum der behördlichen Nachforschungen, obwohl es danach im Operationsbereich zu Blutungen kam, an denen der kleine Junge erstickte. Mehrere andere Faktoren sind es, auf die sich das Augenmerk richtet.
So stellt sich zum einen die Frage, ob dem Buben eine zu große Menge an Narkosemittel verabreicht wurde. Genauso entscheidend ist die Frage, ob er nach dem Eingriff nicht zu früh nach Hause entlassen wurde – und sich die Ärzte zu sorglos verhielten, als Alis Vater wegen des lang anhaltenden, benommenen Zustand seines Sohnes mehrfach telefonisch Alarm schlug.
Mitarbeiter des Arztes sagten später aus, dass der Junge die Praxis nach der Operation quietschfidel verlassen habe. Die Aussage des Vaters hört sich dagegen ganz anders an.
Er habe seinen Sohn in sehr schläfrigem Zustand in Empfang genommen und ihn tragen müssen, schilderte er den Vernehmungsbeamten. Fest steht indessen, dass der besorgte Mann Stunden später mindestens zweimal in der Praxis anrief und darauf hinwies, dass Ali noch immer nicht ansprechbar sei. Rechtsanwalt Thomas Dolmany: „Er wurde mit der Bemerkung, dass es schon wieder werde, am Telefon abgewimmelt.“ Der Vater des Jungen wusste sich schließlich nicht mehr anders zu helfen und alarmierte den Notarzt. Als der eintraf, war Ali jedoch bereits tot.
Ali konnte keinen Hustenreiz mehr entwickeln
Bei der Obduktion stießen die Rechtsmediziner in Magen und Blut des Jungen auf erhebliche Rückstandsmengen eines Narkosemittels. Dolmany: „Anhand dieser Werte ist davon auszugehen, dass dem Buben mindestens das Doppelte der notwendigen Menge verabreicht wurde.“ Dies führte dazu, dass der benommene Ali keinen automatischen Hustenreiz mehr entwickelte – und das Blut in seinem Hals nicht ausspuckte.
„Unabhängig davon“, so Anwalt Dolmany, „hätte man Alis Vater nicht einfach am Telefon abwimmeln dürfen. Richtig wäre gewesen, ihn sofort in die Praxis zurückzubeordern.“
Aus den Akten geht nach Angaben des Anwalts ferner hervor, dass die für die Narkose zuständige Ärztin keine Fachärztin für Anästhesie ist – und deshalb möglicherweise ihre Kompetenzen überschritt. Er hat die Staatsanwältin, die ihm die Einstellung des Verfahrens ankündigte, auch auf diesen Umstand aufmerksam gemacht.
Jetzt will die Justiz ihre Ermittlungen möglicherweise doch noch einmal überprüfen.
Helmut Reister
- Themen: