Bio in der Krise: Warum will keiner die Milch von Chiemgauer Bauern?

Die Breus aus Tacherting haben auf Bio umgestellt. Nur einen Abnehmer für ihre Biomilch fanden sie nicht. Die Gründe und was aus der Milch der Breus wurde.
Heidi Geyer |
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Konrad und Irmi Breu mit ihrem Berner Sennenhund Anderl.
Konrad und Irmi Breu mit ihrem Berner Sennenhund Anderl. © Geyer

Tacherting - Rundherum sanfte Hügel, ein paar Wälder. Und vor allen Dingen: Kühe, Weiden und Ackerflächen. Wer zum Hof der Breus fährt, der verliert sich fast in der Landschaft. Ganz weit draußen in der Gemeinde Tacherting lebt die Bio-Bauernfamilie im nördlichen Landkreis Traunstein.

Zur Begrüßung stürmt der Berner Sennenhundwelpe Anderl auf die AZ-Redakteurin zu, Kätzchen wuseln auf dem Hof herum und nur wenige Tage alte Kälbern schauen kulleräugig aus ihrem Stall.

Mit der "Unsere kleine Farm"-Idylle, hat es sich schnell erledigt, wenn man mit den Breus spricht. Denn zwar schreien Politik und Medien immer nach Bio ‒ nur wollte aber niemand ihre Milch kaufen. Kummer und schwierige Zeiten sind die Breus gewöhnt.

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Chiemgauer Bauern werden ihre Bio-Milch nicht los: 150 Tiere und viele Erweiterungen

1993 hat Konrad Breu (56) den Hof von seinen Eltern übernommen und bewirtschaftet ihn gemeinsam mit seiner Frau Irmi (54). Erweitert und umgebaut haben sie immer wieder, zuletzt 2015 einen neuen Kälberstall und einen Melkroboter. Insgesamt haben die Breus um die 150 Tiere. 60 Milchkühe und die komplette weibliche Nachzucht ‒ die männliche wird verkauft.

Geht's auch ohne Pflanzenschutz?

2019 haben sie begonnen, auf Bio umzustellen. Dahinter steckte kein Idealismus, die Breus hatten eher pragmatische Gründe. Konrad Breu habe Bio-Bauern auch früher nicht verurteilt, aber wie ein richtiger Öko war er nicht. "Es hat mich geärgert, dass wir immer größer werden und es trotzdem nicht langt", sagt er. Früher hat er selbst nebenberuflich Pflanzenschutz durchgeführt. Schon damals habe er sich gefragt, "ob so viel Pflanzenschutz notwendig ist".

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Seine Frau hat schon immer Wert darauf gelegt, regional und saisonal einzukaufen. Irmi Breu sagt aber auch: "Ich hatte als konventionelle Bäuerin nicht das Gefühl, dass ich was verkehrt mache."

Lange Wartelisten für Bio-Milch, doch Bauer aus Bayern hat Hoffnung

Früher sei es den Tieren auch gut gegangen, betonen beide. Zunächst lief alles nach Plan. In der Corona-Zeit war Bio sehr gefragt. Die Breus hatten schon vor der Umstellung bei verschiedenen Molkereien angefragt, ob sie ihre Milch abnehmen würden. "Eine direkte Zusage hatten wir nicht", sagt Irmi Breu. Es gab zwar lange Wartelisten, aber es klang nicht hoffnungslos, erzählt Konrad Breu.

Bauer aus Bayern setzt auf Bio: "Uns hat es einfach gefallen"

Die Umstellung wurde auch öffentlich gefördert. Zunächst für ein Jahr, dann stand die Entscheidung für weitere fünf Jahre an. Sie haben Familienrat gehalten, erzählt Irmi Breu, ob sie es mit Bio wirklich komplett durchziehen sollten. Die Entscheidung fiel einerseits, weil der konventionelle Milchpreis nicht gut war und der für Bioprodukte schlicht und ergreifend höher.

"Aber auch, weil es uns einfach gefallen hat", sagt Irmi Breu. Denn einiges hatten sie ja schon ausprobiert. Die Kühe, die kurz vorm Kalben sind, kamen wieder auf die Weide statt in den Stall. Und die Breus stellten fest: Den Viechern tut es gut, auch gesundheitlich.

Nach und nach kamen immer mehr Veränderungen: Die Tiere leben nicht mehr auf sogenannten Spaltenböden. Durch die Spalten gelangen Urin und Kot in den darunterliegenden Güllekeller, sie sind vielen Tierschützern ein Dorn im Auge. Die Breus richteten Liegeboxen, Liegebuchten und eine Liegehalle ein, so dass die Tiere auf Stroh ruhen können.

Weide statt Stall ‒ doch keiner kauft die Bio-Milch (Symbolbild).
Weide statt Stall ‒ doch keiner kauft die Bio-Milch (Symbolbild). © Oliver Berg/dpa

Besser für die Tiere, aber mehr Arbeit

Früher haben die Kühe 9000 Liter Milch im Jahr durchschnittlich gegeben, seit sie "bio" sind nur 7300. "Die Kühe sind weniger im Stress", sagt Breu. Außerdem sei es so interessant gewesen, viele neue Kulturen auszuprobieren. Denn auch Ackerbau mit neuen Kulturen gehörte auf 84 Hektar dazu. Von früher drei sind es nun acht bis zehn Früchte. "Man muss schon richtig umdenken", sagt Konrad Breu. Arbeit sei es definitiv mehr. Auch weil nicht mehr gespritzt wird.

Die Fruchtfolge ist vielfältiger und der Dünger weniger. 90 Prozent der Ernte verbrauchen die Breus selbst als Futter für ihre Tiere. Als sie noch in der konventionellen Landwirtschaft arbeiteten, haben sie viel aus ihrem Ackerbau verkauft, unter anderem für Biogas. Diese fehlenden Einnahmen müssen sie heute durch die Milch, das Fleisch und die Flächen ausgleichen.

Weizenernte mit Mähdrescher (Symbolbild).
Weizenernte mit Mähdrescher (Symbolbild). © Pia Bayer/dpa

Kein Abnehmer für Bio-Milch: "Das war ned schee!"

Nur hat das erst mal nicht geklappt: "Das war ned schee", sagt Irmi Breu. Denn keine Molkerei wollte sie. "Seit Mai 2023 waren wir komplett umgestellt und konnten Bio-Milch liefern, hatten aber keine Bio-Molkerei als Abnehmer", sagt die Bäuerin. Denn die Verbraucher kauften schlicht zu wenig Bio, so dass die Molkereien keine zusätzliche Bio-Milch benötigten.

Seitdem verkaufen die beiden ihre Bio-Milch als reguläre Milch ‒ mit entsprechenden Verlusten. Im April meldete sich schließlich die Molkerei Andechser und die Breus konnten einen Vorvertrag abschließen. Doch vorher mussten sie noch die sechsmonatige Kündigungsfrist ihrer jetzigen Molkerei einhalten.

"Finanziell war's schon eng!", sagt Breu. Gerettet hat sie der konventionelle Milchpreis, der derzeit relativ hoch ist. Derzeit liegen elf Cent zwischen konventioneller und Bio-Milch. Im Moment produzieren die Breus rund 40.000 Liter.

Den Tieren sei es schon früher gut gegangen. Dennoch merken die Breus einen Unterschied.
Den Tieren sei es schon früher gut gegangen. Dennoch merken die Breus einen Unterschied. © Geyer

Kein Einzelfall: Bauer in Bayern hat 50.000 Euro weniger Einnahmen

Um die 50.000 Euro sind es auf ein Jahr gerechnet, was die Landwirtsfamilie durch den fehlenden Bio-Abnehmer verloren hat. Dass die Breus kein Einzelfall sind, sagt Hans-Jürgen Seufferlein, Direktor des Verbands der Milcherzeuger in Bayern. Er weiß von Wartelisten, die ab und zu vorkommen.

Der Krieg in der Ukraine hat sich auch hier ausgewirkt: "Die Inflation stieg merklich an, Lebensmittel und hier auch Grundnahrungsmittel wurden spürbar teurer ‒ und die Verbraucherschaft achtete wieder mehr auf den Preis." Zulasten von Bio- und regionalen Produkten.

Ob die Breus noch mal auf Bio umstellen würden? "Hm. Das kommt darauf an, wie der Milchpreis sich weiterentwickelt", sagt Konrad Breu und reibt sich das Kinn. Seine Frau und er glauben schon, dass es langfristig die richtige Entscheidung war, zumindest hoffen sie das.

Wie entwickelt sich der Bio-Markt? 

Wohl berechtigt: "In den letzten Monaten hat sich der Absatz bei Bio-Produkten, auch im Milchbereich wieder erfreulich erholt und die Preise steigen auch wieder in gleichem Maße wie der konventionelle Milchpreis", sagt Seufferlein. Dass die Leute nicht mehr Bio kaufen, kann Breu sogar nachvollziehen.

"Es ist leichter, bei den täglichen benötigten Lebensmitteln zu sparen, als sich bei Urlaub, Auto oder Freizeitaktivitäten einzuschränken", sagt Breu und seine Frau stimmt ihm zu. Zugleich wünschen sich beide mehr Wertschätzung für ihre Produkte.

"Es muss halt passen!"

Irmi Breu glaubt, dass noch mehr Bauern gern umstellen würden. "Aber es muss halt passen", sagt sie. "Der Verbraucher muss umdenken, was wichtig ist, in seinem Leben", meint Konrad Breu dazu. Er erinnert an die Lieferketten, die während der Corona-Krise und des Ukraine-Kriegs schon Probleme hatten.

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Dass es "nur" am Verbraucher liegt, findet Seufferlein nicht. Der Einfluss der Discounter und zunehmend mehr Preisdruck sei spürbar. "Nicht selten wird die bayerisch-deutsche Herkunft durch dänische und vor allem österreichische Herkunft ausgespielt", sagt Seufferlein. In Österreich werde mehr als 25 Prozent der Milch in Bio-Qualität erzeugt. "In Bayern dagegen neun Prozent, bundesweit betrachtet 4,5 Prozent", resümiert Seufferlein.

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24 Kommentare
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  • Bongo am 05.11.2024 20:38 Uhr / Bewertung:

    Antwort an den wahren Tscharlie:
    Auch wenn es komisch klingt, aber es kaufen einfach zu wenige Bio ein, sonst würden die Chiemgauer Bauern ja Abnehmer für ihre Bio-Milch finden Darum gehts nämlich in diesem Bericht.
    Schöne Grüße nach München

  • Bongo am 05.11.2024 08:30 Uhr / Bewertung:

    Antwort an Haan:
    Na ja, in unserem örtlichen Supermarkt war gestern ein Preisunterschied von 70 Cent!
    (Haltbare Bergbauernmilch Berchtesgadener Land 0,99€, Bio-Milch vom gleichen Hersteller und gleicher Fettgehalt 1,69€)

  • dakaiser am 04.11.2024 08:46 Uhr / Bewertung:

    Es liegt nur daran, dass die meisten Grünen Veganer sein müssen und de facto keine Milch trinken und somit auch nicht kaufen, denn auch Bio-Kühe werden künstlich geschwängert und der böse Bauer nimmt ihnen ihr Baby gleich nach der Geburt weg.

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