Bigamist trifft bornierten Schnösel
"Im Auge der Seekuh" in Kombination mit "Karaoke und Bigamie" - mit einer ambitionierten Doppelaufführung eröffnete das Gostner Hoftheater seine neue Spielzeit
Der erste Herr ist ein pomadiger Erfolgsmensch in der Einsamkeit des Luxushotelzimmers, der zweite ein schmieriger Karaoke-DJ auf offener Bühne. Beide reden sich ihre defekte Existenz schön: Während der Manager mangels Rückflugs seine eigene Geburtstagsparty verpasst, breitet der Alleinunterhalter treuherzig sein Bigamisten-Leben aus. Das Gostner Hoftheater eröffnet die Saison ambitioniert mit Ur- und Erstaufführung.
Zwei Männer, zwei Stücke, zwei Autoren, zwei Spielorte – ein Darsteller. Thomas Witte spielt den arroganten Reichen (Maxi Obexers „Im Auge der Seekuh“ oben auf der Bühne) und den „Ich bin kein schlechter Kerl“-Betrüger (Lee Halls „Karaoke und Bigamie“ unten im Loft). Es herrscht Mitbestimmung. Die Zuschauer haben es in der Hand, wie lang die Vorstellung dauert, denn zur DJ-Beichte mit Tonspur-Automat gehört eine Liste von neun Allzeit-Popsongs, aus der jeder Anwesende seinen Spontan-Auftritt wählen kann. Lee Hall, als Drehbuchautor von „Billy Elliot“ ein Großer der witzigen Sozialdramatik, hat hier nur Grobskizzenmaterial geliefert. Und Thomas Witte kommt übers Klischee nicht recht hinaus, wenn er Stimmungsmache mit Privatchaos gleichschaltet.
Ist Halls Solo ein einseitiges Zwiegespräch mit dem Publikum, so bleibt Maxi Obexers Text samt Protagonist ganz bei sich. Eine unbekannte „herumlungernde“ Frau drunten am Schnell-Imbiss wird zu seiner Projektionsfläche. Ihren Blickkontakt sucht er, braucht er, erfleht er. Als Basis für einen imaginären Dialog, der nur Ausgangspunkt bleibt für Selbstbestätigungs-Tiraden.
Am Ende kommt es zum Champagner-Treff der beiden – mit überraschendem Prosit. In Gisela Hoffmanns Inszenierung entsteht eine belebende Mixtur aus Poesie und Ironie. Thomas Witte spielt den gelig bornierten Schnösel, der notgeil an die Fensterscheibe haucht und dem es nur ums Belege-Sammeln für die eigene Wichtigkeit geht. Wenn er beim Telefonieren immer wieder nur die eigene Stimme am Anrufbeantworter hört, ist sein Leben auf den Punkt gebracht. Das Stück auch. D.S.
Vorstellungen am 24./25./29.9. und 1./2.10.; www.gostner.de
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