Beschneiungsanlage: Das Sudelfeld wird zerstört

Das Skigebiet Sudelfeld soll einen Speichersee für die Beschneiung bekommen. Derzeit wird heftig gebaggert – das Resultat wirkt verheerend.  
Rudolf Huber |
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Oben kaputt, unten Natur: Die Bagger pflügen die Frühlingswiesen kräftig um.
Rudolf Huber 4 Oben kaputt, unten Natur: Die Bagger pflügen die Frühlingswiesen kräftig um.
Schneise der Zerstörung: Gleich nach der Genehmigung durchs Landratsamt wurde losgelegt.
Rudolf Huber 4 Schneise der Zerstörung: Gleich nach der Genehmigung durchs Landratsamt wurde losgelegt.
Direkt unterhalb von Waller- und Speckalm soll das Speicherbecken in den Berghang gebaut werden.
ho 4 Direkt unterhalb von Waller- und Speckalm soll das Speicherbecken in den Berghang gebaut werden.
Ohne Kunstschnee geht am Sudelfeld (fast) nichts: Eine weiße Piste inmitten grüner Wiesen.
DAV/Scheuermann 4 Ohne Kunstschnee geht am Sudelfeld (fast) nichts: Eine weiße Piste inmitten grüner Wiesen.

Das Skigebiet Sudelfeld soll einen Speichersee für die Beschneiung bekommen. Deswegen wird derzeit heftig gebaggert – und das Resultat wirkt verheerend. Was die Gegner de Projekts sagen, die Pläne, die Fotos.

Bayrischzell - "Schau dir das Sudelfeld das letzte Mal ohne Speichersee an“, sagt der Wanderer zu seiner Begleiterin. Sie stehen unterhalb der 1412 Meter hoch gelegenen Walleralm, schauen nach Norden: Dort, wo jetzt noch die Frühlingsbergblumen blühen und sich die Wiesen von den Strapazen der letzten Skisaison erholen, soll ein Speichersee entstehen.

Seit April liegt die Genehmigung für das Millionen-Projekt vor. Seitdem baggern sich tonnenschwere Baumaschinen durch die Almwiesen. Doch der Widerstand wächst. Bund Naturschutz und Deutscher Alpenverein klagen gegen den Ausbau.

Ortstermin am oberen Sudelfeld unterhalb der Walleralm und der Speckalm. Die sensible Bergwelt, deren Schönheit Tourismus-Manager nicht hoch genug loben können, hat schon ganz schön was abbekommen. Knallgelbe Bagger sind dabei, mitten in einer Wiese, am Rand des geplanten Speichersees, das Terrain zu begradigen.

Der Boden ist aufgerissen, es ist schlammig und dreckig – Zerstörung pur. Etwa 50 Meter entfernt, auf einem Nachbarhang, wird gerade mit Hochdruck die neue Zufahrtstraße zu den Ausflugsgaststätten ins Schutzgebiet gebaut. Die alte Erschließungsstraße muss dem Speichersee weichen – ein klarer Fall von Kollateralschaden.

Auch dieser Bereich wirkt eher wie ein Panzerübungsplatz als eine Almwiese. „Vielen Tier- und Pflanzenarten aus dem Talbereich dienen diese offenen Almwiesen heute sogar als letzte Rückzugsgebiete“, heißt es auf einem Plakat vis à vis am Eingang zum Skigebiet. „Unser Almgebiet ist daher Standort vieler seltener Orchideen- und Wildrosenarten.“

Ob die seltenen Tier- und Pflanzenarten die Bagger- und Radladerattacke überstehen werden?

Das sagen die Befürworter:

Egid Stadler, Chef der Bergbahnen Sudelfeld, sieht die Klagen der Naturschutzverbände gelassen. Er vertraut auf die Rechtskraft der Genehmigung aus dem Landratsamt Miesbach, die böse Zungen als letzten Freundschaftsdienst des aus dem Amt gewählten Skandal-Landrats Jakob Kreidl (CSU) an seine Bayrischzeller Spezln sehen – auch wenn Kreidl jede Einflussnahme von sich weist.

Vor einem Jahr hat er erklärt: „Unser wunderschöner Landkreis und seine schützenswerte Landschaft sollen so weit wie irgend möglich geschützt werden.“ Kein Wunder, dass Kreidls grüner Nachfolger Wolfgang Rzehak die Genehmigung kurz vor Amtsende zwar als rechtlich nicht zu beanstanden einstufte – politisch sehe er die Notwendigkeit des Sudelfeldausbaus freilich anders.

Der Schutz, von dem Kreidl sprach, wirkt, wenn man den Worten von Egid Stadler glauben mag, sogar schon während der massiven Erdarbeiten durch die beauftragte Baufirma. „Am Abend sieht man kaum mehr, wo die tagsüber gebaggert haben“, wird der Lift-Boss in der Lokalzeitung zitiert.

Angesichts des tatsächlichen Anblicks wirkt das wie blanker Hohn.

250 Sprühlanzen und Schneekanonen sollen nach dem rund 13 Millionen Euro teuren Ausbau am Sudelfeld für winterliche Verhältnisse sorgen, auch wenn’s die Natur eigentlich nicht mehr hergibt.

Das Ziel: 85 Hektar sichere Pisten direkt vor der Haustür der Münchner. Dazu braucht es viel Wasser – und deswegen den Speichersee. Den bauen die Planer auch gleich in ihr heiles weiß-blaues Tourismus-Weltbild mit ein: Er soll, so heißt es, im Sommer Badegäste und Wassersportler anlocken. Erfrischung auf gut 1400 Metern Höhe.

Das sagen die Gegner:

„Ein solch massiver Ausbau der Beschneiung am Sudelfeld wäre ein herber Rückschlag für den Naturschutz und würde falsche Zeichen für die Tourismus-Entwicklung in Bayern setzen,“ hat DAV-Vizepräsident Ludwig Wucherpfennig letzte Woche erklärt. Was am Sudelfeld passiere, habe Signalwirkung für den gesamten bayerischen Alpenraum.

Eine wissenschaftliche Untersuchung hat laut DAV ergeben, dass die vorhandene Wassermenge in niederschlagsarmen Jahren nicht zur Befüllung des Speicherbeckens ausreiche.

Ungeklärt seien der Amphibienschutz und die Auswirkungen auf den Wasserhaushalt des Gebietes. Unklar sei auch, ob und in welchem Landschaftsschutzgebiet sich das Vorhaben befindet: Die amtlichen Karten dazu sind verschollen.

Heute wollen DAV und Bund Naturschutz in München die ihrer Meinung nach strittigen Punkte noch einmal ausführlich erläutern.

 

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