Bericht: Hohe Mieten verschärfen Armut massiv
Auch Münchner können ein Lied davon singen: Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat am Dienstag seine bundesweite Studie zur Wohnarmut veröffentlicht. Das Ergebnis: Werden die Wohnkosten berücksichtigt, gelten in Deutschland 5,4 Millionen Menschen zusätzlich als arm – deutlich mehr als gedacht.
Die Kosten fürs Wohnen steigen in Deutschland immer weiter. Laut Ifo-Institut sind die Mietpreise bei Neuvermietungen in den letzten zwölf Jahren um über 50 Prozent gestiegen, in den Großstädten noch deutlich stärker um über 75 Prozent. Hinzukommen hohe Kosten bei Neubauten und ein sinkender Bestand an Sozialwohnungen.
Weil die Einkommen in dem Zeitraum aber nicht im gleichen Maß angestiegen sind, nehmen die Wohnkosten für viele Menschen einen immer größeren Teil ihres Einkommens ein. Der Paritätische Wohlfahrtsverband untersuchte deshalb in seinem Bericht, inwieweit die steigenden Wohnkosten Haushalte in Armut bringen.
Mit Wohnkosten steigt Armut um 40 Prozent
Wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat – das sind 1088 Euro für einen Einpersonenhaushalt – gilt üblicherweise als arm. Laut Statistischem Bundesamt betrifft das in Deutschland derzeit 15,5 Prozent der Bevölkerung beziehungsweise 13 Millionen Menschen.
Die Paritätische Forschungsstelle entwickelte dagegen eine wohnkostenbereinigte Armutsquote, kurz Wohnarmut, in der die Wohnkosten vom zur Verfügung stehenden Einkommen abgezogen werden. Dort kann bei zwei Personen mit gleichem Einkommen, aber unterschiedlichen Wohnkosten, eine Person unter die Armutsgrenze fallen, die andere nicht.
Nach dieser Methode steigt die Zahl der von Armut betroffenen Menschen in Deutschland um 5,4 Millionen Menschen von 13 auf 18,4 Millionen. Dadurch sei die Armut in Deutschland um 40 Prozent höher als bislang angenommen.
Die höchste Wohnarmutsquote herrscht dem Bericht zufolge in Bremen mit gut 33 Prozent, die niedrigste in Bayern mit 18,1 Prozent. Bei den unterschiedlichen Altersgruppen sind 18-25-Jährige, die am Anfang ihrer Erwerbstätigkeit stehen (31,2 Prozent), und ältere Menschen im Ruhestand (28,8 Prozent) besonders von Wohnarmut betroffen. Bei Haushalten mit Kindern fallen vor allem Alleinerziehende mit über 40 Prozent in die Wohnarmut.
Bayern-Vorstand besorgt über Entwicklung
Margit Berndl, Vorstand Verbands- und Sozialpolitik des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in Bayern, überraschen diese Ergebnisse mit Blick auf erhöhte Miet- und Wohnkosten nicht. "Die armen Menschen, die jetzt schon sehr wenig haben, müssen oft fast 50 Prozent ihres Einkommens für die Wohnkosten ausgeben”, sagt sie der AZ.
Daraus folge, dass Wohnen arme Menschen noch ärmer, aber auch Menschen mit mittlerem Einkommen zunehmend arm mache. Berndl fordert die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und die Förderung des genossenschaftlichen und sozialen Wohnungsbaus. Zudem müsse das Mietrecht überhöhte Mieten begrenzen.
Es sei aber genauso wichtig, den Niedriglohnsektor einzudämmen, um so für auskömmliche Löhne zu sorgen. In Hinblick auf die besonders stark betroffene Gruppe der Ruheständler fordert Berndl existenzsichernde Renten. Die angespannte Lage bekomme sie auch im Gespräch mit den Menschen mit. "Es ist große Sorge und Angst da, nicht nur vor weiteren Mieterhöhungen. Die Menschen fragen sich: Wie komme ich mit dem Geld, was mir noch bleibt, über die Runden?"
- Themen:
- Statistisches Bundesamt
