Interview

Bekannter Tiktok-Fahrlehrer aus Erding ist sich sicher: "99 Prozent können diese Frage nicht beantworten"

Fahrlehrer Christoph Flittner aus Erding teilt skurrile Anekdoten und Einblicke in die Herausforderungen des modernen Führerscheinerwerbs. Er erklärt, warum die Prüfungen schwieriger und die Kosten gestiegen sind, und berichtet von den verrücktesten Erlebnissen in seiner Fahrschule.
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Christoph Flittner aus Erding war früher beim Radio, bis er zum Fahrschullehrer umschulte.
Christoph Flittner aus Erding war früher beim Radio, bis er zum Fahrschullehrer umschulte. © privat

Seit über 15 Jahren ist Christoph Flittner (41) aus Erding Fahrlehrer. Mit seinem Team hat er seither mehr als 8000 Schüler zum Schein geführt – und seit der Pandemie als "Herr Fahrschule" bei Tiktok über 900.000 Follower gesammelt. Analog als Buch bringt er jetzt seine besten und teils unglaublichen Anekdoten heraus.

AZ: Herr Flittner, i n Ihrem Buch "Besoffen mit Fahrrad ist okay, oder?" haben Sie skurrile Anekdoten aus dem Alltag als Fahrlehrer gesammelt. Zum Beispiel ist Ihnen schon mal ein Vater die ganze Fahrstunde hinterhergefahren und hat am Ende moniert, sein Sohn fahre zu langsam. Oder bei der Übung einer Vollbremsung hat eine Schülerin den Kaugummi verschluckt und brauchte anschließend Hilfe. Ist das wirklich alles wahr? 
Christoph Flittner: Das ist alles so passiert! Aber Details sind verfremdet, um Rückschlüsse auf die betroffenen Personen zu vermeiden. Ich bin allgemein der Meinung, dass die Menschen heutzutage im Alltag viel zu ernst sind. Für mich ist der Schlüssel für den Fahrschul-Unterricht, dabei Spaß und Gaudi zu haben. Deswegen passieren mir wahrscheinlich auch solche Sachen, weil ich offen dafür bin und darauf eingehe. Aber natürlich gilt: Man muss professionell bleiben und die Verkehrsregeln beachten.

Skurril: "Ein Mädel hat mich im Unterricht vor 25 Leuten gefragt, ob sie während der Fahrt Oralverkehr mit ihrem Freund haben darf"

Was war denn das bisher Verrückteste, was Sie als Fahrlehrer erlebt haben? 
Das ist schwer zu beantworten. Ich halte es für verrückt, dem Fahrlehrer 500 Euro Trinkgeld zu geben. Das ist meinem Kollegen passiert. Auch skurril: Ein Mädel hat mich im Unterricht vor 25 Leuten gefragt, ob sie während der Fahrt Oralverkehr mit ihrem Freund haben darf. Das zählt zu meinen Highlights. Sie hat es auf so trockene Art gefragt und meinte am Schluss noch: Das sei wirklich wichtig. Was auch sehr verrückt war: Eine Mutter, die Menschen beim Parken bestraft hat, indem sie Reißzwecken an deren Autotür angeklebt hat. Und ein Vater hat mal alte Andreaskreuze eines stillgelegten Bahnübergangs geklaut, damit ich und meine Fahrschüler dort nicht mehr links und rechts schauen müssen.

Christoph Flittner sagt: Wer im Fahrschulauto sitzt, wird grundsätzlich überholt - egal wie schnell er fährt.
Christoph Flittner sagt: Wer im Fahrschulauto sitzt, wird grundsätzlich überholt - egal wie schnell er fährt. © privat


Sie sind seit über 15 Jahren Fahrlehrer. Was hat sich verändert?
Früher war es lustiger. Das hängt aber zuletzt auch damit zusammen, dass man überall hört: Der Führerschein sei zu teuer. Dadurch kommen die Menschen schon mit dieser Einstellung in die Fahrschule. Ja, der Führerschein ist teurer geworden – aber alles andere auch. Ich vergleiche es gern mit einer Maß Bier auf dem Oktoberfest. 2015 hat sie zehn Euro gekostet, heute kostet sie 15 Euro. Genau im gleichen Prozentsatz ist der Führerschein teurer geworden. Den Führerschein muss man halt machen, die Maß Bier will man trinken.

Warum ist der Führerschein denn so viel teurer geworden? Woran liegt´s?
Weil alles drum herum teurer wird. Wenn mein angestellter Fahrlehrer eine Wohnung mieten und essen gehen möchte oder einen Parkplatz in der Innenstadt braucht, muss er das auch bezahlen können. Deswegen muss der Lohn steigen und aus diesem Grund ist der Führerschein heute teurer als vor 20 Jahren. Ausschlaggebend ist unterm Strich nicht, wie viel eine Fahrstunde kostet, sondern wie viele Fahrstunden man braucht.

Wie viele sind im Schnitt nötig?
20 bis 25. Lieber wenige Fahrstunden von guter Qualität als viele billige. Das führt zu einem günstigeren Führerschein.

Was war die höchste Stundenzahl, die bisher jemand gebraucht hat?
Es gibt Leute, die haben es mit zwei Fahrstunden geschafft! Andere brauchen mehrere Hundert. Das ist sehr abhängig von der jeweiligen Person.

In seinem Buch "Besoffen mit Fahrrad ist okay, oder?" (Riva Verlag) erzählt Christoph Flittner aus Erding die lustigsten Anekdoten aus seinem Alltag als Fahrlehrer.
In seinem Buch "Besoffen mit Fahrrad ist okay, oder?" (Riva Verlag) erzählt Christoph Flittner aus Erding die lustigsten Anekdoten aus seinem Alltag als Fahrlehrer. © privat

"Die Prüfungen sind schwieriger geworden"

In Bayern sind 2024 rund 41 Prozent der Prüflinge durch die Theorieprüfung gerauscht. Was würden Sie sagen: Woran scheitern die meisten?
Bei unserer Fahrschule ist die Quote viel niedriger, weil wir darauf achten, ob jemand bei der Anmeldung zur Prüfung wirklich bereit ist. Ich schaue bei jedem Schüler vorher in die Lern-App und wenn er zum Beispiel eine Woche vor der Prüfung einen Lernstand von 36 Prozent hat, sage ich ihm: "Jetzt lernst du erst nochmal." Was ich aber schon dazu sagen muss: Die Prüfungen sind schwieriger geworden.

Inwiefern?
Früher wusste man schon bei der Gestaltung der Fragen – zum Beispiel bei dem gelben Lkw an der Kreuzung: Die richtige Lösung ist das zweite Kasterl. Man musste also letztlich auswendig lernen und nicht unbedingt verstehen. Heute sehen die Fahrschüler Videos von Verkehrssituationen und müssen im Anschluss eine Frage dazu beantworten. Das Video ist jedes Mal anders – einmal ist es ein gelber Lkw, dann ein blaues Motorrad, ein Fahrrad- oder ein E-Scooter-Fahrer. Man kann es also nicht mehr auswendig lernen, sondern muss den Inhalt verstanden haben. Das führt zu sicheren Verkehrsteilnehmern, aber auch dazu, dass die Ausbildung schwieriger und dadurch auch teurer ist.

Was ist Ihre Lieblingsfrage aus der Theorie? 
Eine klassische T-Kreuzung in einer Wohnsiedlung, auf jeder Seite steht jemand. Die Frage: Wer darf als Erstes fahren? Das typische ,rechts vor links'. Ich behaupte: 99 Prozent der Verkehrsteilnehmer können diese Frage weder in der Theorie noch in der Praxis beantworten.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Fehlannahmen im Verkehr? 
Zum Beispiel: Bei einer abknickenden Vorfahrtstraße müsse man nicht blinken, wenn man ihr folgt. Das stimmt nicht. Ein weiterer Irrtum: Am Parkplatz gelte auch "rechts vor links". Oder: Viele denken, sie müssen am Stoppschild zwei Sekunden anhalten. Stimmt nicht, man muss einfach nur stehen, wie lange ist egal.

Wäre nach einer gewissen Zeit ein Auffrischungstest aus Ihrer Sicht wünschenswert? 
Ich würde es zwar nicht Test nennen, aber in jedem Job gibt es Fortbildungen. Im Straßenverkehr nicht, das finde ich schade. Ich wäre Fan davon, zum Beispiel alle zehn Jahre ein Abend an der Fahrschule. Ich glaube, die Leute würden das feiern. Denn viele haben ja Fragen - ich werde zum Beispiel regelmäßig im Supermarkt angesprochen und etwa gefragt, ob man in einer bestimmten Straße eigentlich parken darf (lacht).


Hatten Sie auch schon mal jemanden, der erst sehr spät den Führerschein gemacht hat?
Ja, ein Mann Mitte 50 kam mit dem Auto zur Fahrschule und wollte sich für den Führerschein anmelden. Ich dachte mir: Moment, der ist doch gerade mit dem Auto gekommen. Er sagte, er fahre schon sein Leben lang Auto - aber eben ohne Führerschein. Jetzt werde ihm das doch zu heiß. Sein Trick bisher bei Verkehrskontrollen: der Führerschein eines Freundes, der ihm ähnlich sah.

Sie sind seit der Corona-Pandemie bei Tiktok als "Herr Fahrschule" aktiv. Ein Mann kam daraufhin zu Ihnen nach Erding und wollte die Prüfung ablegen, weil er alle Tiktok-Videos geschaut hatte. Geht nicht oder?
(lacht) Es ist nicht verkehrt, wenn man sich schon vor dem Führerschein viel damit beschäftigt. Aber den Führerschein kann man nicht über Tiktok machen.


"Einfach freundlich lächeln und einen Kussmund zurückwerfen!"


Man liest in Ihrem Buch bei aller Gaudi heraus, dass auch aggressives Verhalten auf der Straße zunimmt. Wie erklären Sie es sich?
Der Verkehr ist viel mehr geworden, die Straßen aber nicht im gleichen Maße. Die Menschen sind heutzutage im Alltag auch mehr belastet - durch Termine, Verpflichtungen, Smartphones. Und wir haben nie genügend Zeit: Wir haben es immer eilig, sind immer zu spät dran. Wenn man in Eile ist, hat man auch immer jemanden vor einem, der einem vermeintlich zu langsam fährt. Übrigens: Egal wie schnell wir mit dem Fahrschulauto fahren, wir werden grundsätzlich überholt. Es reicht auch, wenn ich alleine im Fahrschulauto sitze (lacht).

Was empfehlen Sie als Reaktion, wenn man angehupt wird oder jemand den Stinkefinger zeigt? 
Ein ganz einfacher Trick: freundlich lächeln und einen Kussmund zurückwerfen! Die Wutspirale muss durchbrochen werden. Das funktioniert wirklich gut, weil es die Leute nicht erwarten.

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  • Radl Rainer vor 8 Minuten / Bewertung:

    In Neuhausen gibts nen Fahrerlehrer auf TikTok, der auf Radwegen und in Zufahrten parkt. Wild, aber nicht verwunderlich.

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  • Bluto vor einer Stunde / Bewertung:

    Mit Verlaub, der Vergleich mit der Maß Oktoberfestbier ist schlau aber unfair. Genau die wird nämlich auch schneller teurer als die Inflation es rechtfertigt.

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