Bei Münchnern beliebter See birgt wertvolle Schätze – was ein Archäologe dort schon gefunden hat

Kochel am See - Unter Schatzsuchern hält sich bis heute hartnäckig ein Gerücht: Um den Walchensee herum oder womöglich sogar im See selbst sollen noch immer Teile eines riesigen Nazi-Schatzes versteckt sein. Unstrittig ist unter Historikern: Die Reichsbank ließ einen Großteil der deutschen Finanzreserven in den Wirren der letzten Kriegswochen aus dem ausgebombten Berlin wegschaffen – ein Teil davon landete über Umwege im April 1945 in einer Mittenwalder Kaserne.
Als amerikanische Truppen immer näher kamen, versteckten deutsche Offiziere Tonnen an Gold, Kisten mit Juwelen sowie große Mengen Schweizer Franken und US-Dollar in einem Forsthaus in der Nähe des Walchensees. Was dann geschah, konnten Experten jedoch bis heute nicht sicher aufklären. Große Mengen an Gold und Geld wurden in Erdlöchern in den Bergen verbuddelt. Einen Teil hoben Wochen später die US-Truppen.

Nazi-Gold im Walchensee? Historiker halten das für einen Mythos
Doch der Rest der im Werdenfelser Land gebunkerten NS-Schätze blieb verschwunden. Historiker halten es für möglich, dass deutsche Soldaten Goldbarren und Geld auf eigene Faust Ende April oder im Mai wegschafften. Doch wo versteckten sie die Schätze vor den Alliierten? Immer wieder wurde kolportiert, auch im Walchensee sei Nazi-Gold versenkt worden. Wahrscheinlich ist zwar, dass Beamte der Reichsbank Ende April 1945 von einem Boot aus Druckplatten für die Reichsmark-Banknoten in den Walchensee warfen.
Unter Historikern eher als Räuberpistole gilt dagegen, dass auch große Mengen an Gold versenkt wurden. Bislang wurde jedenfalls kein einziger Goldbarren aus dem bis zu 190 Meter tiefen See gezogen – zumindest wurde kein entsprechender Fund gemeldet. Doch das kann Schatzsucher nicht abhalten. Bis heute versuchen sie ihr Glück nicht nur in der Gegend um, sondern auch in dem bei Touristen extrem beliebten Walchensee.
Archäologe zweifelt am Gold im Walchensee: "Es wäre dumm gewesen, das hier zu versenken"
Florian Huber tauchte dort ebenfalls immer wieder ab – aber nicht auf der Suche nach dem Nazi-Gold. Der promovierte Unterwasserarchäologe hält es für nahezu ausgeschlossen, dass Nazi-Gold im See schlummert. "Es wäre dumm gewesen, das Gold in dem bis zu 190 Meter tiefen See zu versenken, weil man dann ja nicht mehr oder nur extrem schwer herankommt", sagt Huber der AZ.
Ohnehin ist der renommierte Forscher kein Hobby-Schatzsucher. "Als Archäologe suche ich Erkenntnisse. Ein alter Lederschuh oder eine Klinge kann der größere Schatz sein als Gold und Silber." Eine Goldmünze verrate weit weniger über die Zeit, in der sie geprägt wurde.

Der 48-jährige Top-Taucher, der mittlerweile in Norddeutschland lebt, hat bei seinen Forschungsexpeditionen bereits viele Winkel der Erde erkundet. Zuletzt tauchte er etwa in Griechenland, Schottland oder vor der dänischen Ostseeküste. Immer wieder berichtet Huber in der ZDF-Sendung "Terra X" von seinen Abenteuern.
Er war schon auf Expeditionen in über 100 Ländern. Eine seiner spektakulärsten Entdeckungen waren die ältesten Knochen Amerikas, die er in überfluteten Höhlensystemen in Mexiko fand. In der Ostsee entdeckte er 2020 bei einem Tauchgang eine Enigma. Die streng geheime Chiffriermaschine der Deutschen wurde im Zweiten Weltkrieg zur Verschlüsselung von Nachrichten eingesetzt.
Archäologe Florian Huber: "Realistisch ist, dass wir im Walchensee Einbäume finden"
Immer wieder taucht er auch in Süddeutschland. "Dort schlummern unzählige ungehobene historische Schätze", sagt Huber. Dies gelte auch für den Walchensee. Der älteste bisherige Fund sei der Schädel eines Elchs, der 12.000 Jahre alt ist. "Das ist der älteste Nachweis dieses Ur-Elchs in Bayern", sagt Huber. Er hofft, dass durch das Tauchen im Walchensee eines Tages auch die Frage beantwortet werden kann, seit wann in der Region Menschen leben. So seien in der Nähe des Gewässers bereits Steinwerkzeuge gefunden worden.
"Realistisch ist, dass wir im Walchensee Einbäume finden", sagt Huber: "Die entdecken wir ja überall in Bayern. Sie waren für die Menschen lange ein sehr wichtiges Fortbewegungsmittel." Seen seien für Archäologen extrem spannende Untersuchungsobjekte, so Huber. "Die Menschen haben von jeher mit den Seen interagiert. Bereits vor mehreren Jahrtausenden gab es Pfahlbausiedlungen. Und die Seen waren natürlich Transportwege."
Auf dem Grund des Bodensees finden sich Schiffwracks in 190 Metern Tiefe
Nicht nur gesunkene Schiffe, auch andere menschliche Hinterlassenschaften interessieren ihn. "Selbst der Abfall vergangener Zeiten sagt viel über die Menschen aus, die früher gelebt haben. Was haben die gegessen? Etwa Fische oder Ziegen?" Unter den Sedimenten wird unter Wasser so manches Tausende Jahre konserviert, was sich an Land unter Lufteinwirkung längst aufgelöst hätte.
Auch der Fortschritt früherer Kulturen zeigt sich unter Wasser. "Entdecken wir alte Brückenanlagen oder Fischerboote, sehen wir, welche technischen Innovationen zu jener Zeit bereits verwendet wurden", sagt Huber. Und die Ladung eines Boots verrate, womit dort gehandelt wurde. Im Bodensee tauchten Huber und ein Team im vergangenen Jahr mit modernster Robotertechnik an Stellen mit bis 190 Meter Tiefe nach Schiffwracks – allerdings auf baden-württembergischer Seite. Seit über 5.000 Jahren ist die Region um den See bewohnt.
"Dreh- und Angelpunkt der ganzen Region": Das macht den Starnberger See so spannend
Besonders spannend sei auch der Starnberger See. "Wir wissen aufgrund von Funden, dass hier bereits in der Steinzeit Menschen lebten", so Huber. Huber lobt hier vor allem die Arbeit der Taucher der Bayerischen Gesellschaft für Unterwasserarchäologie. Seit Jahren holen deren Taucher ehrenamtlich kulturgeschichtliche Schätze aus dem Starnberger See.
"Der See war schon immer Dreh- und Angelpunkt der ganzen Region", sagt Maximilian Ahl der AZ. Er und seine Kollegen fanden unweit der Roseninsel einen 13,5 Meter langen Einbaum, der aus dem Jahr 900 vor Christus stammen soll. "Es ist der größte bisher in Mitteleuropa gefundene Einbaum", schwärmt der 33-jährige studierte Archäologe.
"Wir können mit den Funden aus dem See Bayerns Geschichte erlebbar machen"
Zum Teil gebe es 6.000 Jahre alte Funde. Bei Kempfenhausen, wo Menschen einst in Pfahlbausiedlungen lebten, sei die älteste Schnur Bayerns gefunden worden. Sie stammt aus der Steinzeit. Spektakulär war auch die Entdeckung eines aus Hirschhorn gefertigten Bauteils einer Axt. "Wir können mit den Funden aus dem See Bayerns Geschichte erlebbar machen", sagt Ahl.
Eigentlich arbeitet er als Disponent bei der Bahn. Warum er sich ohne Bezahlung bis zu 50 Meter in die Tiefe begibt? "Der Moment, Dinge zu finden, die seit Jahrtausenden unentdeckt im See schlummern und von niemanden entdeckt wurden, ist einmalig."
Er ist sich sicher: "Im Starnberger See gibt es noch viele ungeborgene Schätze." Für Goldsucher hat Taucher-Kollege Huber aber eine schlechte Nachricht: "Anders als an Land haben die Menschen früher Schätze in der Regel nicht im See vergraben beziehungsweise versenkt – außer womöglich aus religiösen Zwecken."
Auf dem Boden des Walchensees dürfte zwar kein Nazi-Gold schlummern. Andere Relikte des Zweiten Weltkriegs liegen dort aber sicher: Trümmer eines abgeschossenen britischen Bombers wurden dort schon gefunden.