Behörden trennen Flüchtlingsfamilie
Ansbach Als ihr Mann mitsamt der Kinder abtransportiert wird, liegt Isra in einer Ansbacher Klinik und kann nichts tun. Sie ist traumatisiert, wird von Psychiatern behandelt. Derweil bringt die Polizei ihre Familie nach Polen.
Isra ist 28 und heißt eigentlich anders. Sie will nicht erkannt werden, weil sie Angst hat. Im August 2012 sind Isra, ihr Mann und ihre fünf Kinder aus Tschetschenien geflohen, weil sie dort unterdrückt wurden. Über Polen kamen sie nach Deutschland, schließlich nach Franken. Von dort sollten sie wieder nach Polen, wo über ihre Abschiebung entschieden werden soll. Weil Isra zu krank war, um nach Polen gebracht zu werden, haben die Behörden die Familie jetzt – getrennt.
Der Bayerische Flüchtlingsrat ist empört: „Das Grundgesetz sichert den besonderen Schutz von Ehe und Familie“, sagt Sprecher Tobias Klaus. „Der wurde hier in schändlicher Art und Weise vernachlässigt.“
Bis vor kurzem waren die 28-jährige Isra und ihre Familie in einer Flüchtlingsunterkunft in Windsbach bei Ansbach untergebracht. Bereits im Januar sollten sie nach Polen gebracht werden. Nach einer internationalen Verordnung ist das Land für die Familie zuständig, weil sie zuerst dorthin geflohen war.
Als Isra davon erfährt, bricht sie zusammen. Sie leidet an einem Trauma, hat mehrmals versucht, sich umzubringen. Die Aussicht, von Polen aus nach Tschetschenien abgeschoben zu werden, verkraftet sie nicht. Sie wird in eine Klinik eingeliefert und in der Psychiatrie behandelt. Die Behörden verschieben die Überstellung nach Polen aus Rücksicht auf Isra, die im fünften Monat schwanger ist.
Mitte März dann der Schock: An einem Donnerstagmorgen um sechs Uhr holt die Polizei den Vater und die drei älteren Kinder – sieben, elf und zwölf Jahre alt – von der Unterkunft ab. Die Beamten bringen sie nach Polen. Die jüngeren Kinder – ein und zwei Jahre alt – sind bei Bekannten der Familie. Das Jugendamt holt sie ab.
Isra bekommt einen Anruf von ihrem Mann. Er sei mit den Kindern im Abschiebegefängnis in Polen, sagt er. Die junge Mutter ist verzweifelt. „Sie kann nicht mehr“, sagt eine Helferin vom Flüchtlingsdienst, die sich um sie kümmert. „Es geht ihr unbeschreiblich schlecht.“
Tobias Klaus vom Bayerischen Flüchtlingsrat ist entsetzt, dass die Behörden das zulassen konnten. Er wirft dem Ansbacher Landrat Jürgen Ludwig „unwürdiges und zutiefst menschenverachtende“ Handeln vor: „Ein Landrat, der nicht einmal anerkennt, dass Kinder ihre Mutter brauchen, hat in verantwortlicher Position nichts zu suchen“, sagt Klaus.
Der Landrat weist die Vorwürfe zurück. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe die Rückführung angeordnet. Das Landratsamt müsse sich daran halten. Der Flüchtlingsrat fordert vom BAMF, den Vater und die drei Kinder sofort nach Deutschland zurückzuholen. In solchen Härtefällen habe das Amt ein „Selbsteintrittsrecht“ und könne der Familie Asyl gewähren.
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