Bayerischer Landtag beschließt strenge neue Cannabis-Regeln: Wo kiffen jetzt verboten ist
München – Cannabis-Verbot auf der Wiesn, Soldaten an Bayerns Schulen, eine umstrittene Polizei-Software und die Änderung des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof, um AfD-nahen Richtern den Zugang ins Amt zu erschweren.
Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause streitet der Bayerische Landtag um ein ganzes Bündel, teilweise für Unmut sorgender Gesetze. Die Staatsregierung will sie mit ihrer Mehrheit beschließen. Die AZ verfolgt die Entwicklungen im Newsblog.
Neue umstrittene Polizei-Software wird eingeführt
+++ Recherche- und Analysesoftware VeRA soll an den Start gehen – Kritiker halten Gesetz für verfassungswidrig +++
16:06 Uhr: Viele verschiedene Polizeidatenbanken in Bayern werden künftig durch ein neues Recherche-Programm vom US-Hersteller Palantir zusammengeführt. Das hat der Landtag mit Stimmen der CSU, Freien Wähler und AfD beschlossen.
Die neue Software soll die Polizeiarbeit modernisieren, sagte der CSU-Abgeordnete Alfred Grob. "Bayern ist das sicherste Bundesland. Das ist keine politische Aussage, sondern ein Nimbus, der jedes Jahr wieder erkämpft werden muss."
Es sei wichtig auf Höhe der Zeit zu bleiben. "Bei der Bekämpfung von Terrorismus, organisierter Kriminalität, und Bankenkriminalität kann man halt nicht mit Einzelabfragen oder Excel-Daten hantieren", so Grob.
Laut dem Freie-Wähler-Politiker Wolfgang Hauber würden die Bürger von der Änderung des Polizeiaufgabengesetzes profitieren. Freiheitsrechte und Sicherheitsbedarf seien abgewogen worden. "Vera stellt eine große Erleichterung für Polizebeamte dar."
Bayerns Datenschutzbeauftragter hat große Bedenken
Schon vor der Einführung des Gesetzes hatte Bayerns Datenschutzbeauftragter Thomas Petri große Bedenken. Durch das Programm würden Millionen von Daten neu vernetzt werden – von Bürgern, die allerdings gar keine Straftat begangen haben, sondern lediglich als Zeugen geführt würden.
Das beanstandet auch der Grünen-Abgeordnete Benjamin Adjei. "Das sollte ohne Rechtsgrundlage eingeführt werden", sagte der Politiker. Der Vertrag mit der US-Firma laufe schon seit fünf Jahren. Zweieinhalb Jahre seien um und hohe Millionenbeträge dadurch fehlinvestiert.
Ähnliche Bedenken äußerte auch der SPD-Politiker Horst Arnold. Kurz vor der Abstimmung über den Gesetzentwurf hielt er eine Erklärung, in der der ehemalige Richter darauf hinwies, dass die einzelnen Änderungen möglicherweise verfassungswidrig sind.
Landtag beschließt strenge neue Cannabis-Regeln
+++ Konsumverbot von Cannabis in Gaststätten und auf Volksfesten kommt – CSU, Freie Wähler und AfD stimmen für Gesetz +++
15:02 Uhr: Seit einigen Monaten wird darüber diskutiert, jetzt hat die Bayerische Staatsregierung Nägeln mit Köpfen gemacht. Nach der von der Ampelregierung beschlossenen Cannabis-Teillegalisierung gelten bald im Freistaat strengere Regeln. So ist künftig der Konsum von Cannabis in Gaststätten, Cafés, Biergärten und der Wiesn verboten. Bei Verstößen sind die Strafen hoch: Bis zu 1.500 Euro werden für Verstöße beim Kiffen fällig. Wiederholungstätern droht eine Geldbuße bis zu 5.000 Euro. Auch in speziell ausgezeichneten Raucherräumen ist das Rauchen von Cannabis bald illegal – nur Zigaretten dürften dort weiter konsumiert werden.
Vor fast leeren Reihen sprach der CSU-Abgeordnete Thorsten Freudenberger über die Folgen von Suchterkrankungen und das große Leid für Betroffene. "Deshalb ist es wichtig, dass ein Staat klare Kante zeigt und handelt", sagt der Parlamentarier in seiner Rede. "Wenn der Bund schon so ein Gesetz macht, sind wir in Bayern in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass wir die Bevölkerung bestmöglich schützen."
Auch Grüne wollen konsequenten Jugendschutz – doch nicht nur durch strenge Regeln
Gegen den Schutz – insbesondere von Kindern und Jugendlichen – hat auch der grüne Abgeordnete Toni Schuberl grundsätzlich nichts. Der Politiker hat vor wenigen Wochen angekündigt, einen Joint im Landtag konsumieren zu wollen. Später rauchte er ihn dann in Anwesenheit von Journalisten und Kamerateams im MaximilIaneum.
"Ich wünschte, es gebe keine Drogen auf dieser Welt. Doch das Wünschen hilft nichts", sagte Schuberl. Deshalb ist es dem Volksvertreter ein großes Anliegen, den Blick nicht nur auf Cannabis zu lenken, sondern die gesamte Drogenpolitik im Freistaat zu betrachten. Vor allem die liberale Gesetzgebung mit Hinsicht auf Alkohol sei problematisch.
Während es keine Todesfälle gibt, die im direkten Zusammenhang mit Cannabis stehen, seien die Auswirkungen von schweren Drogen, Alkohol und auch Nikotin nicht zu vernachlässigen. Dennoch will Schuberl die Folgen der Teillegalisierung im Auge behalten.
SPD: Die vielen Vorschriften könnten die Strafverfolgungsbehörden überlasten
Doch Verbote, eine Vielzahl an Vorschriften und ein strenger Bußgeldkatalog führe am Ziel vorbei. Das belaste die Behörden unnötig. "Es geht ihnen nicht um den Nutzen. Es geht ihnen darum, ein Symbol zu setzen oder die Schlagzeile zu kriegen", sagte der grüne Abgeordnete in Richtung der beiden Regierungsparteien.
Der SPD-Politiker Horst Arnold ist der Ansicht, dass die neuen Strafen nur schwer sanktioniert werden können. Es könne gar nicht kontrolliert werden, in welcher gedrehten Zigarette sich schließlich Cannabis oder Tabak befindet. Darüber hinaus blieben Tabakprodukte, Wasserpfeifen und Vaporisatoren weiter erlaubt – obwohl von diesen ebenso Risiken ausgehen.
AfD-nahe Richter am Bayerischen Verfassungsgericht? Mehrheit will durch Gesetz "Demokratie schützen"
+++ Nach Wahl vor wenigen Monaten: Zwei AfD-nahe Richter am Verfassungsgerichtshof – Staatsregierung will Wahlrecht ändern +++
13:38 Uhr: Es ist ein großes politisches Dilemma in Bayern gewesen. Doch durch eine Gesetzesänderung scheinen die bisherigen Probleme wie gelöst. In Zukunft findet die Wahl von 15 nichtberuflichen Verfassungsrichtern nicht mehr in Form einer Blockwahl statt. Dafür stimmten alle im Maximilianeum vertretetenen Fraktionen – mit Ausnahme der AfD. So sollen Verfassungsorgane vor Demokratiefeinden geschützt werden.
Zuvor standen die Parlamentarier in Bayern zuletzt im Januar vor einer schwierigen Entscheidung. Bisher wurden die Richter über die Vollversammlung des Bayerischen Landtags gewählt – allerdings in Form einer Blockwahl. Das Problem: Die Fraktionen mussten also entweder einer gesamten Liste zustimmen oder diese komplett ablehnen.
Wenn der Landtag allerdings keine Richter entsendet, dann droht sogar eine Verfassungskrise. Deshalb hat die Staatsregierung nun eine Änderung des Wahlrechts durchgesetzt. Sonst könnte das Gericht arbeitsunfähig werden, laufende Verfahren würden dann möglicherweise zunächst eingefroren.
Verfassungskrise hat bei letzter Richterwahl gedroht
Das wollte die schwarz-orangene Koalition unbedingt verhindern. Deshalb wurden im Januar nochmals zwei AfD-Kandidaten gewählt – darunter Rüdiger Imgart, der bei der Demonstration von Verschwörungsideologen vor dem Sturm auf das Reichstagsgebäude 2020 vor Ort war.
"Wir wissen unserer Verantwortung und kommen dieser auch heute nach", sagte der CSU-Abgeordnete Michael Hofmann in seiner Rede. Umstrittene rechtspopulistische Kandidaten, die sich nicht vollständig zum Rechtsstaat bekennen, sollen künftig nicht mehr an einem solch wichtigen Gericht im Freistaat tätig sein.
"Ich sage klipp und klar, weil es jetzt wieder Tränen aus einer bestimmten Ecke gibt: Jede Fraktion kann Vorschläge machen", so Hofmann. Durch die Aufstellung von geeigneten Kandidaten, die im Parlament Zustimmung genießen, könne auch die AfD weiterhin Richter entsenden.
Verfassungsorgane sollen vor Feinden des Rechtsstaats besser geschützt werden
Große Kritik an der vergangenen Richterwahl hat der Grünen-Abgeordnete Jürgen Mistol geübt. "Wir müssen die Organe der Verfassung gegen die Feinde widerstandsfähig machen", so der Politiker. Schon beim Zerfall der Weimarer Republik hätten die Väter des Grundgesetzes den Auftrag erkannt, eine Verfassung zu formulieren, von der die Pflicht abgeleitet wird, die freie-demokratische Grundordnung zu schützen."
Wie wichtig die Wahl der nichtberuflichen Richter ist, machte der SPD-Abgeordnete Horst Arnold deutlich: "Die Wahl eines Verfassungsgerichtshof ist eine Königswahl, weil nicht irgendwas gewählt wird, sondern ein Verfassungsorgan, das entscheidende Kontrolle über unser System übernimmt."
AfD spricht von "Angriff auf die parlamentarischen Minderheitsrechte"
Die AfD warf den anderen Parteien vor, die Rechtspopulisten unterdrücken zu wollen. Ein bewährtes Verfahren werde abgeschafft, sagt der Parlamentarier Christoph Maier. "Dies ist ein Angriff auf die parlamentarischen Minderheitsrechte."
Felix Locke von den Freien Wählern konterte die Vorwürfe der AfD: "Die Verfassungsviertelstunde würde vielleicht ein oder anderen Fraktionen auch gut tun", so der Volksvertreter aus Mittelfranken. Es würden keine Gesetze gegen die AfD gemacht, sondern zum Schutz der Demokratie.
Das Militär in Bayerns Klassenzimmern? Abgeordnete diskutieren über Gesetz zur Stärkung der Bundeswehr
+++ Pläne der Staatsregierung: Mehr Einflussmöglichkeit der Bundeswehr auf weiterführende Schulen und Hochschulen +++
11:40 Uhr: Der Bayerische Landtag hat das umstrittene "Gesetz zur Förderung der Bundeswehr" beschlossen. Für das Gesetz stimmten die Fraktionen der CSU und Freien Wähler – überraschenderweise auch die SPD. Starke Kritik am Vorhaben der Staatsregierung übten die Grünen. Die AfD enthielt sich in der Abstimmung.
In Zukunft haben Jugenddienstoffiziere und Karriereberater der Bundeswehr damit weitgehende Einflussmöglichkeiten auf die Universitäten und weiterführende Schulen im Freistaat. Gymnasien, Realschulen und Mittelschulen müssen von nun an mit Soldaten zusammenarbeiten – zur Not auch unter Zwang.
Außerdem müssen Universitäten im Krisenfall Forschungsergebnisse an den Bund und Nato-Partner übermitteln, wenn beim Freistaat ein entsprechender Antrag dafür gestellt wird. Auch einer sogenannten Zivilklausel wird durch das Gesetz ein Riegel vorgeschoben. Dadurch können Hochschulen im Freistaat sich in ihrer Forschung nicht mehr selbst auf den reinen zivilen Bereich beschränken und müssen ihre Forschung auf für militärische Zwecke bereitstellen.
Wehrpolitischer CSU-Sprecher Wolfgang Fackler: "Wir sind der verlässliche Partner der Bundeswehr"
"Wir sind der verlässliche Partner der Bundeswehr", sagte der wehrpolitische CSU-Sprecher im Bayerischen Landtag, Wolfgang Fackler. "Ich danke unserem Ministerpräsidenten für die Vorlage."
Kritikern des Gesetzes – darunter die Grünen und mehrere Gewerkschaften – wirft der Abgeordnete vor, "Frieden ohne Waffen" schaffen zu wollen. "Die Kreml-Strategen werden sich über diese pazifistische Renaissance freuen", so Fackler weiter.
Ähnliche Worte kommen von Bernhard Pohl (Freie Wähler). "Dieses Gesetz ist eine Blaupause für alle anderen Bundesländer", sagt Pohl in seiner Rede. "Ich bin in der Realität bei den Menschen draußen und nicht nur bei der Gewerkschaft, die Ihnen wahrscheinlich nach dem Mund redet", sagt der Politiker zum Grünen-Abgeordneten Benjamin Adjei.
"Verfassungswidrig" und "unnötig": Gewerkschaften und Grünen üben starke Kritik am Gesetz
Dessen Fraktion machte sich unter anderem mit der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) gegen die Pläne der Bayernkoalition stark. Adjei zufolge sei das Gesetz "unnötig" und "verfassungswidrig." Mehr Nachwuchs würde die Bundeswehr nicht durch dieses Vorhaben gewinnen, sondern unter anderem durch eine bessere Vereinbarkeit zwischen Familie und Soldaten.
Überraschend für das Vorhaben stimmte die SPD-Fraktion. Der Abgeordnete Markus Rinderspacher sprach sich für die Stärkung der Bundeswehr aus – trotz unklarer Rechtsbegriffe im Gesetzesentwurf (darunter: „Nationale Sicherheit“). Offenbar will man in der Fraktion dem parteieigenen Verteidigungsminister Boris Pistorius nicht in den Rücken fallen.
Der Staatskanzlei-Chef Florian Herrmann freut sich darüber, dass der Gesetzentwurf verabschiedet wurde. "Wir zeigen damit, welchen Wert die Bundeswehr für uns hat", sagte der CSU-Vertreter. Die Zeiten in Deutschland hätten sich verändert – man sei "zurückgebombt" durch Putins Angriffskrieg auf die Ukraine. "Wir müssen Sicherheit durch Abschreckung schaffen."
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