Bayerische Auswanderer: Australien hält bei den Waldbränden eng zusammen
Wenn die Wahlheimat brennt: Die zwei Bayern Andrea Gruber und Klaus Kunschert erzählen im AZ-Interview, wie es ihnen in Sydney ergeht, wie schlecht die Luft ist und warum die Menschen vor Ort nicht aufgeben.
AZ: Frau Gruber, Herr Kunschert, Sie leben seit einiger Zeit in Sydney. Das Wahrzeichen der Stadt, die Oper, ist teils kaum noch zu sehen wegen des dicken Feuerrauchs. Kann man da überhaupt noch normal atmen?
ANDREA GRUBER: An manchen Tagen ist es ziemlich krass und es hängt – je nachdem, aus welcher Richtung der Wind kommt – eine dicke Nebelschicht über der ganzen Stadt. Auch bei uns in den Eastern Suburbs ist die Luft dann sehr schlecht, und es liegt ein Lagerfeuergeruch in der Luft. Gesundheitlich wäre es schlauer, einen geeigneten Mundschutz zu tragen, aber wenige sorgen vor. Auch wir haben bis jetzt keinen genutzt.

"Die Waldbrände sind jeden Tag in den Nachrichten"
Wie wirken sich die Brände noch auf den Alltag aus?
KLAUS KUNSCHERT: Das Thema ist allgegenwärtig in den Nachrichten. Da der Osten von Sydney und die Innenstadt relativ verschont bleiben, ist für uns der Alltag unverändert. Was direkt auffällt, ist natürlich die erhöhte Feinstaubbelastung – besonders an den Autos kann man die Rußablagerungen sehen.
GRUBER: Grundsätzlich sind wir noch relativ entspannt und unser Alltag ist auch weiterhin normal, außer wenn es den ganzen Rauch zu uns runterpustet. Dann versuchen wir, so wenig wie möglich nach draußen zu gehen.
"An der Küste fühlen wir uns sicher"
Haben Sie einen Notfallplan?
KUNSCHERT: Wenn wir ehrlich sind: leider noch nicht. Aber wir wollen einen gestalten. Da wir das Glück haben, an der Küste zu wohnen, fühlen wir uns sehr sicher. Wenn es in diesen Teilen zu Problemen kommen würde, ist vorher ganz Sydney abgebrannt.
GRUBER: Sollte es hart auf hart kommen, würden wir eventuell nach Deutschland fliegen. Wir haben auch Freunde in Neuseeland, bei denen wir für ein paar Tage unterkommen könnten.

"Jeder ist sich der Lage bewusst"
Wie ist die Stimmung bei den Menschen?
KUNSCHERT: Die Stimmung der Australier, die nicht direkt betroffen sind, bleibt weiterhin "laid back" – und entspannt. Jeder ist sich der extremen Lage bewusst, aber Angst herrscht nicht.
GRUBER: In unserer Gegend werden überall Sammlungen gestartet, um betroffenen Menschen, Tieren und den Feuerwehrleuten zu helfen. Sowohl finanziell als auch mit sonstigen Spenden wie Essen, Kleider und Haushaltsartikeln.
"Schutzzonen durch 'Back-Burning'"
Wie schützen sich die Betroffenen, denen das Feuer immer näher kommt?
KUNSCHERT: Mit diesen Anwohnern macht die Feuerwehr gemeinsam "Back-Burning", also das kontrollierte "Vor-Brennen" für Schutz-Zonen um Häuser und Dörfer. Manche Häuser haben sogar ihre eigene Feuerabwehr: eine Sprinkleranlage und einen Sicherheitsbunker mit Druckluft zum Atmen.
Wie sieht es mit der Wassernutzung aus?
GRUBER: New South Wales hat die Stufe 2 der Water Restriction eingeleitet – es stehen hohe Strafen auf Wasserverschwendungen beziehungsweise auf unerlaubte Wassernutzung. Firmen, die auf Wasser angewiesen sind, können sich eine Ausnahmegenehmigung holen, aber Privatpersonen müssen sich mit erheblichen Einschränkungen arrangieren.

"Viele Leute enttäuscht von Premierminister Morrison"
Wie denken die Australier über Scott Morrison, der zunächst im Urlaub auf Hawaii weilte und diesen erst spät abgebrochen hat?
KUNSCHERT: Allgemein sind die Australier weniger politisch interessiert als wir Deutschen. Mein Eindruck ist, dass sich ScoMo – das ist sein Spitzname – generell großer Beliebtheit erfreut. Die meisten Australier sind selber zwischen Weihnachten und dem Australia Day (26. Januar, Anm. d. Red.) in den Urlaub gefahren. Ich finde auch, dass zum Zeitpunkt, als er seine Reise angetreten hat, das Ausmaß der Feuer noch nicht so bekannt war. Man muss verstehen, dass es hier jedes Jahr Feuer gibt, und dies kein neues Phänomen ist.
GRUBER: Was ich momentan aus den Nachrichten und Gesprächen mit meinen australischen Freunden und Arbeitskollegen mitnehmen kann, ist, dass die Stimmung gegenüber ScoMo eher angespannt ist und viele Leute enttäuscht sind. Meine persönliche Meinung ist, dass es eine sehr unglückliche Entscheidung von ihm war, in den Urlaub zu fahren.

Haben die Helfer nach so vielen Tagen und Wochen noch Kraft, weiter gegen die Brände zu kämpfen?
KUNSCHERT: Unser größter Respekt geht an die Feuerwehrleute, die seit Monaten Tag ein, Tag aus ihr Bestes geben, um andere zu beschützen. Der Royal Fire Service in New South Wales ist eine große Gruppe aus Berufsfeuerwehrleuten und Freiwilligen, die extrem gut organisiert sind. Mit Schichten und Ruhetagen. Mein Chef zum Beispiel ist ein Freiwilliger im RFS und bekämpfte über Weihnachten die Feuer in den Blue Mountains.
"Viele Freiwillige helfen der Feuerwehr"
Was hat er berichtet?
KUNSCHERT: Er erzählte mir von vielen Freiwilligen aus ganz Australien, die mithelfen. Nicht nur Feuerwehr-Fachleute, sondern auch Köche, Manager, Einkäufer und so weiter, die alle benötigt werden, um so eine Operation am Laufen zu halten. Australien ist ein Land, das sehr eng zusammenhält und in Notfällen packt jeder mit an. Aber trotz der guten Organisation kann man sich vorstellen, wie schwer es für die Leute ist, das durchzuhalten. Ihr Kampfgeist und ihre Werte lassen sie weitermachen.
GRUBER: Ich denke, dass es sich in den nächsten Wochen mehr und mehr zeigen wird, wie kräftezehrend es für die Helfer ist, weil ein baldiges Ende laut Vorhersage nicht in Sicht ist, und der Sommer hier erst begonnen hat.
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