Banknoten im Büstenhalter
Die Mitarbeiter des Zolls suchen nach Schwarzgeld, das deutsche Staatsbürger im benachbarten Ausland gehortet haben. Manche Schmuggler haben skurrile Tricks.
Lindau - Das Misstrauen von Horst Schmied ist schnell geweckt. „Und Sie haben einfach nur so druckfrische 7.500 Euro in der Hosentasche, wenn Sie zum Wandern gehen?“, fragt der Zollinspektor die Frau, die dem Beamten ihre prallgefüllte Brieftasche aus dem Autofenster entgegenhält.
Die Frau macht ein ernstes Gesicht und nickt entschlossen. Ihr Sohn steht mit verschränkten Armen vor dem Auto und schweigt. Horst Schmied ist seit mehr als 30 Jahren Zollbeamter. Nicht zum ersten Mal steht er mit der mobilen Kontrolleinheit 34 an der stark befahrenen Durchgangsstraße in Lindau am Bodensee, wo die Verkehrsströme aus Österreich, der Schweiz und Liechtenstein aufeinandertreffen.
Die Mitarbeiter des Zolls suchen in erster Linie nach Hinweisen auf Schwarzgeld, das deutsche Staatsbürger im benachbarten Ausland gehortet haben. Seit deutsche Bundesländer 2010 CDs mit Schweizer Bankdaten gekauft haben, ist Bewegung in die Geldströme gekommen.
Die zehn Zollbeamten der Kontrolleinheit 34 haben allein im Jahr 2010 unangemeldetes Bargeld in Höhe von 2,7 Millionen Euro entdeckt. Hinzu kommen 1,85 Milliarden Euro an Auslandsvermögen, auf die die Beamten aufmerksam wurden, weil die Betroffenen im Grenzgebiet verräterische Belege mit sich führten.
Das Steuerabkommen mit der Schweiz, das 2013 in Kraft treten soll, trägt ebenfalls zur Nervosität der mutmaßlichen Steuersünder bei. Zollinspektor Schmied wirft einen Blick in den Kofferraum des Mutter-Sohn-Duos.
Denn die zur aufgetischten Wandergeschichte passende Ausrüstung fehlt: Kein Rucksack, keine Wanderschuhe, nichts, was aufs Wandern hindeutet, findet sich im Kofferraum des Wagens. Die Durchsuchung des Autos bringt aber keine weiteren Hinweise. Auch wenn die Angaben der angeblichen Wanderer widersprüchlich sind - ohne weitere Indizien ist der Zoll machtlos. Denn bis zu einer Grenze von 10.000 Euro dürfen Barmittel unangemeldet mitgeführt werden. Bei Beträgen darüber muss deren Herkunft nachgewiesen werden.
Nicht immer geht den Beamten ein großer Fisch ins Netz. Die spektakulären Fälle sind selten, aber es gibt sie: Etwa im Vorjahr, als die Zöllner einen Mann im Zug stellten, der sich 200.000 Euro um den Leib gewickelt hatte.
Im Frühjahr 2012 tarnte ein Mann im Zug 20.000 Euro eingewickelt in Alufolie als Brotzeit. Auch eine Frau, deren Büstenhalter mit reichlich Banknoten gefüllt war, gehört zu den Fällen, die den Beamten schon untergekommen sind.
Nach welchem Schema die Zoll-Mitarbeiter die Autos für ihre Kontrolle auswählen, lässt sich nicht erkennen. Mal sind es teure Neuwagen, mal ältere Gebrauchte. „Bei der Auswahl geht es viel um Intuition“, sagt Einsatzleiter Georg Krügers, der gerade einen dunklen Mercedes herauswinkt. Im Wagen sitzt ein Ehepaar und hört die üblichen Fragen der Zollbeamten:
Haben Sie Bargeld oder Wertgegenstände in Höhe von mehr als 10.000 Euro dabei? Woher kommen Sie gerade? Wohin fahren Sie? Je nach Plausibilität der Antworten haken die Beamten nach oder winken die Kontrollierten durch – wie in diesem Fall. Zollinspektor Walter Mesmer sagt aus Erfahrung: Männer kippten schneller um, wenn sie sich in Widersprüche verstrickt hätten. Frauen dagegen blieben länger bei ihrer Lüge.
„Es gibt auch Menschen, die sind einfach nur erleichtert, wenn wir sie erwischen“, sagt Zoll-Pressesprecher Hagen Kohlmann. Die seien froh, endlich reinen Tisch machen zu können. Dennoch sei das Unrechtsbewusstsein bei den erwischten Steuersündern gering. Steuervergehen würden mehr als Kavaliersdelikte denn als Straftaten betrachtet.
Doch der Gesetzgeber versteht bei Steuerdelikten keinen Spaß: Es drohen hohe Geldstrafen oder sogar Gefängnis.
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