Ballack, Ballack! Wahnsinn, Wahnsinn!

Josef Winkler und Volker Schlöndorff in zwei aufschlussreichen Autoren-Porträts
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Kam früh nach Erlangen als „Filmregisseur, der sich für einen Tag von den Poeten aufgenommen“ fühlte: Volker Schlöndorff.
Berny Meyer Kam früh nach Erlangen als „Filmregisseur, der sich für einen Tag von den Poeten aufgenommen“ fühlte: Volker Schlöndorff.

NÜRNBERG - Josef Winkler und Volker Schlöndorff in zwei aufschlussreichen Autoren-Porträts

Was man im Rahmen des Erlanger Poetenfestes nicht alles erfahren kann! Der Kärntner Bauernbub Josef Winkler beispielsweise, der demnächst den Georg-Büchner-Preis 2008 bekommt und darauf hinwies, dass auch 3000 Druckseiten „noch viel zu wenig“ sind für eine Auseinandersetzung mit dem Vater, der Kirche und dem Tod, hat sich als Jugendlicher das Geld für eine eigene Bibliothek zusammengeklaut, was seiner unwissenden Familie „zwei bis drei Ochsen“ gekostet haben soll. Die kriminelle Energie, die den Dorfbewohner zum Dichter machte, wurde von Moderatorin Verena Auffermann ausdrücklich begrüßt. Hätte es doch sonst den Anruf um 21.30 Uhr während des EM-Spiels Deutschland-Österreich nie gegeben, der dem Autor den Büchner-Preis ankündigte. Im laufenden Fernseher rief der Reporter „Ballack, Ballack“, am Telefon juchzte Winkler „Wahnsinn, Wahnsinn“. So hatte jeder sein magisches Wort.

Den Füller, der ihn von der Pirsch hinter dem Altarraum („Mich interessiert nicht Theologie, sondern der Muff der Sakristei“) bis zum Scheiterhaufen nach Indien als Handwerkszeug und Talisman begleitet, hatte Winkler auch auf dem Erlanger Podium dabei. Die „Suche nach der verlorenen Kindheit“ erklärte er zu seinem Generalthema, die Authentizität zur Grundhaltung: „Wenn ich nicht mehr schreiben muss, höre ich sofort damit auf!“ Er sagte es eher achselzuckend als drohend.

Am Abend danach fühlte sich Filmregisseur und Memoirenschreiber Volker Schlöndorff nicht minder gut gelaunt „für diesen einen Tag von den Poeten aufgenommen“, wurde als „begnadeter Literaturverfilmer“ gefeiert und ließ bei der Frage nach seinem besonderen Verhältnis zu Autoren ein wenig ins Innere blicken. Heinrich Böll („Katharina Blum“) fand er „ganz schön radikal im Denken, aber niemals einschüchternd“, bei der Anwesenheit von Grass („Blechtrommel“) fühlte er sich „wie gelähmt“ und Max Frisch („Homo Faber“) behält er als väterlichen Freund in Erinnerung. Für die „Lesungs-Weltpremiere“ wählte Schlöndorff denn auch das Kapitel über die Begegnungen mit dem Schweizer.

Der Filmemacher, der Autoren-Ambitionen im eigenen Genre nach ernüchternden Erfahrungen aufgab („Machste lieber das, was de kannst, als das, was de willst“), hat wie Winkler sein „Vater-Trauma“ und dazu „eine spiritistische Verbindung zur Mutter“, die er im Alter von fünf Jahren verlor. Den Anstoß, Memoiren zu schreiben, gab ihm eine Frage: „Muss denn immer so viel Leben versäumt werden?“ Weitere Schlöndorff-Drucksachen sind vorerst nicht zu erwarten: „Ich bin und bleibe Filmemacher“. Aber einer, der „nie einschlafen kann ohne mindestens ein Buch auf dem Nachtkästchen“. D.S.

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