AZ-Interview mit vbw-Präsident Alfred Gaffal
Weniger Sozial-, dafür mehr Wirtschaftspolitik fordert vbw-Präsident Gaffal für das kommende Jahr. Ein Ausblick auf die Wirtschaft des Freistaats.
Alfred Gaffal (71) ist Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Die vbw ist nach eigenen Angaben die freiwillige, branchenübergreifende und zentrale Interessenvereinigung der bayerischen Wirtschaft und vertritt 132 bayerische Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände sowie 42 Einzelunternehmen.
In den Branchen der vbw-Mitgliedsverbände sind demnach bayernweit etwa 4,8 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte tätig, das sind fast 90 Prozent aller Beschäftigten im Freistaat.
AZ: Herr Gaffal, die Auftragsbücher sind voll, die wirtschaftliche Lage der bayerischen Unternehmen schien bislang glänzend. Ziehen 2019 dunkle Wolken am Himmel auf?
ALFRED GAFFAL: Die Entwicklung 2019 wird weiter von größeren Risiken im In- und Ausland begleitet: Der Handelskrieg zwischen den USA und China, die Zollstreitigkeiten zwischen der EU und den USA sowie der Brexit. Ein weiteres Risiko besteht in der Haushaltspolitik Italiens. Auch Frankreich bereitet Sorgen. Dadurch können die Euro-Schuldenkrise und die Spannungen innerhalb der EU wieder aufflammen. Die aus den Fugen geratene Dieseldiskussion drückt ebenfalls auf die Stimmung. Die Konjunktur hat sich bereits deutlich abgekühlt. Wir rechnen für Bayern für 2018 deshalb nur noch mit einem Wachstum von maximal 2,2 Prozent – statt 2,8, wie im Frühjahr angenommen.
"Großbritannien ist für uns ein bedeutender Handelspartner"
Der drohende harte Brexit hängt auch über der bayerischen Wirtschaft wie ein Damoklesschwert. Wie, glauben Sie, geht es im nächsten Jahr weiter?
Der Brexit insgesamt ist aus unserer Sicht sowohl für Großbritannien wie für die EU grundlegend falsch. Trotzdem müssen wir die Entscheidung Großbritanniens akzeptieren. Unsere Unternehmen müssen sich aufgrund der politischen Gesamtlage im Vereinigten Königreich auf einen ungeordneten Brexit vorbereiten. Die Folgen wären fatal. Denn Großbritannien ist für uns ein bedeutender Handelspartner. Das Land liegt auf Platz vier der wichtigsten Exportländer Bayerns.
Der bislang wichtigste Auslandsmarkt für die bayerische Wirtschaft sind die Vereinigten Staaten. Was erwarten Sie hier für 2019?
Wir sehen das außenwirtschaftliche Umfeld insgesamt mit Sorge. Das gilt leider auch für die USA. Die protektionistischen Tendenzen machen sich negativ bemerkbar. Die Exporte Bayerns in die USA sind in den ersten neun Monaten dieses Jahres um 2,4 Prozent zurückgegangen. Wenn die Zölle tatsächlich auf 25 Prozent angehoben würden, würde das unsere Automobilindustrie hart treffen.
Wie will die Wirtschaft dem entgegenwirken?
Wir müssen die Stellung Bayerns als globale Leitregion des Automobils erhalten. Die Automobilindustrie steht für 30 Prozent unserer Wertschöpfung. Es gilt, den Wandel bei den Antriebstechnologien als Innovationsführer aktiv zu gestalten. Wir brauchen hierfür Technologieoffenheit. Klar ist aber auch: Der konventionelle Antrieb und insbesondere der Diesel werden auf Jahre unverzichtbar sein. Die unsägliche Dieseldebatte muss beendet werden.
Bleiben wir bei der Außenpolitik. Inwieweit wirken sich die Iran-Sanktionen der USA auf Bayern aus?
Bereits die Ankündigung der Sanktionen vor gut einem halben Jahr hat zu Verunsicherung und sinkenden Handelszahlen geführt. In den ersten neun Monaten dieses Jahres sind die Exporte um knapp sieben Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken. Von zentraler Bedeutung ist es, den Zahlungsverkehr mit dem Iran zu gewährleisten. Wir begrüßen deshalb die Bestrebungen der EU, einen eigenen, vom US-Dollar unabhängigen, Zahlungsweg aufzubauen.
"Wir brauchen endlich ein schlüssiges Energie-Konzept"
Thema Energiewende: Die Bayerische Wirtschaft moniert schon lange deren Auswirkungen auf die Strompreise und die Kosten für Unternehmen. Was wünschen Sie sich für 2019?
In der Energiepolitik brauchen wir ein Umsteuern: Trotz Gesamtkosten in Höhe von 520 Milliarden Euro für die Energiewende bis 2025 werden die Klimaschutzziele nicht erreicht. Wir brauchen deshalb endlich ein schlüssiges energiepolitisches Gesamtkonzept, das klarstellt, wie der Strombedarf in Zukunft gedeckt werden kann und Energie- und Klimapolitik in Einklang gebracht werden können. Entscheidend wird sein, wieder zu wettbewerbsfähigen Strompreisen zu kommen.
Wie steht es in Bayern eigentlich ums Thema Digitalisierung? Ist sie eine Herausforderung?
Die Digitalisierung berührt alle Lebensbereiche und bietet uns große Chancen. Das Gelingen der digitalen Transformation ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts und unserer Unternehmen sichern können. Sehr gut ist, dass für das wichtige Thema Digitalisierung jetzt ein eigenes Ministerium geschaffen wurde.
Apropos Ministerium – sind Sie zufrieden mit der neuen schwarz-orangen Staatsregierung?
Wir begrüßen die an Sachfragen orientierte, rasche Regierungsbildung der Parteien der bürgerlichen Mehrheit. Der Einigungswille und das Ausbleiben öffentlicher Diskussionen während der Verhandlungen waren ein deutliches Zeichen für ein gutes Miteinander und Stabilität. Wie bei jeder Regierung sollte man frühestens nach den ersten hundert Tagen eine Zwischenbilanz ziehen.
Was hoffen Sie für das neue Jahr 2019?
Wir dürfen uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen. Wenn wir unsere Wettbewerbsfähigkeit und damit unseren Wohlstand erhalten wollen, muss insbesondere die Bundesregierung jetzt konsequent auf einen wachstums- und investitionsfördernden Kurs umschwenken. Kurz gesagt: Wir brauchen mehr Wirtschafts- und weniger Sozialpolitik. Wir brauchen keine weiteren endlosen Diskussionen, sondern Umsetzung. Dann wird auch 2019 ein Jahr des Erfolgs.
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