Ausbrecher gefasst, aber: Wie sicher ist die JVA?
Avrim B. hatte eine 12 Meter hohe Wand erklommen, sprang durch und über Stacheldraht sieben Meter in die Tiefe.
NÜRNBERG Er ist gefährlich. In seiner Heimat hat er wohl einen Menschen getötet. Deshalb saß der 26-jährige Albaner Avrim B.* seit März in Nürnberg in Abschiebehaft. In der Heimat soll dem Osteuropäer der Prozess gemacht werden. Doch die Angst vor Strafe ließen den jungen Mann alle Grenzen überwinden. „Zum ersten Mal seit Jahrzehnten“, so JVA-Chef Hans Welzel, gelang einem Häftling die Flucht aus dem Nürnberger Knast. Die Frage ist nun: Wie sicher ist unsere JVA?
Nach dem Hofgang hatte sich Avrim B. in eine nicht einsehbare Nische verdrückt. Dort kletterte der drahtige, kleine Mann eine zwölf Meter hohe, glatte Wand mit einzelnen Fenstern hoch. „Er hat sich wohl in die Ecken gespreizt“, glaubt Welzel. Dann krabbelte der mutmaßliche Mörder auf das Dach des U-Haft-Gebäudes.
Auf der weiteren Flucht zwängte er sich durch scharfen Stacheldraht, dann sprang er sieben Meter in die Tiefe – auf das Flachdach eines weiteren Gebäudes – wieder mitten in Stacheldraht. Warum eine Kamera, die auf Bewegung reagiert, versagte, ist unklar. Dafür entdeckte eine Nachbarin den Mann auf dem Dach. Während sie um 9.20 Uhr die Polizei alarmierte, sprang der Flüchtende nochmals sieben Meter tief – in die Freiheit.
Ein Beamter gab mehrere Warnschüsse ab
Streifen, Diensthunde und ein Hubschrauber starteten in Richtung JVA. Einer Gruppe Polizisten fiel der Flüchtende auf Höhe Frankenschnellweg/Pfinzingstraße auf. Dort hatte sich Avrim B. auf dem Mittelstreifen im Gebüsch versteckt. Beim Anblick der Uniformierten, floh der 26-Jährige. Die Polizisten nahmen die Verfolgung zu Fuß auf. Dazu gab ein Beamter auch mehrere Warnschüsse in die Luft ab. Doch die ignorierte er, rannte weiter in Richtung Wolgemutstraße. Zwei Beamte hielten deshalb einen Autofahrer an.
Der muss sich gefühlt haben wie in einem Kinofilm: Er sollte mit den Beamten die Verfolgung des Fliehenden aufnehmen. Dank seiner Unterstützung konnte der leichtverletzte Avriam B. nach 300 Metern gestellt werden. Nach einer halben Stunde war die wilde Flucht beendet.
Die Ecke, in der die Flucht des Häftlings begonnen hatte, wird demnächst zusätzlich abgesichert. „Bis dahin steht ein Beamter dort“, so Welzel. Er hat den Kletterkünstler nun in einer besonders gesicherten Zelle untergebracht. Auch die Kameras werden jetzt überprüft. „Dass der Mann das alles so weggesteckt hat, das grenzt an ein Wunder.“
(*Name geändert)
A. Uhrig