Auflagen bremsen Bio-Bauern aus
Die 17 Milchkühe von Familie Ücker im Oberallgäu dürfen bald aus dem Stall auf eine saftig-grüne Bergwiese. Die Milch, die die Kühe produzieren, trägt aber kein Bio-Siegel mehr. Familie Ücker ist nach fünf Jahren aus dem Biobetrieb ausgestiegen.
„Für mich sind meine Produkte aber immer noch Bio“, sagt Sabine Ücker. Ihrem Vieh gehe es im Winter nicht schlecht, doch nach einer neuen EU-Verordnung muss sie die Kühe seit Januar zweimal pro Woche aus dem Stall auf die Weide treiben. Die Anbindehaltung wurde für Biohöfe verboten, auch die Ausnahmeregelung für besonders kleine Betriebe half den Ückers nicht: Von Mai bis Oktober ist der Auslauf kein Problem, aber im Winter fehlt’s dem Familienbetrieb an Platz.
„Unser Stall ist mitten im Dorf, dahinter verläuft eine Straße, und in den Bergen liegt im Winter Schnee“, sagt Georg Ücker. Eine Weide im unmittelbaren Umfeld des 17 Hektar großen Geländes zu betreiben, scheitert aus topographischen Gründen. Anderen Betrieben fehlt das Geld zum Ausbau des Anbindestalls in einen Laufstall. „Das sind langfristige Investitionen, die sich über 20 Jahre amortisieren müssen und kleine Betriebe deswegen besonders belasten“, so Markus Peters vom Bayerischen Bauernverband.
Nach dem Willen der EU-Kommission soll die Richtlinie, die zum Jahresbeginn in Kraft getreten ist, nicht die letzte sein. Eine entsprechende Reform der EU-Öko-Verordnung hat die Kommission im März in Brüssel vorgestellt. EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos will Ausnahmen einschränken und die Verarbeitung im Vertrieb strenger überwachen. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) plädierte bereits für eine Reform „mit Augenmaß“. Ciolos warb für die Neugestaltung mit den Worten: „Dies kommt Verbrauchern und Landwirten gleichermaßen zugute.“
Ganz anders sieht das Familie Ücker in Waltenhofen: Kleine Biobauern ohne geregelte Nachfolge würden vor den Vorschriften und der fehlenden Planungssicherheit kapitulieren. „Viele Junge sind noch sehr motiviert, aber mit 52 lege ich mir die Last nicht mehr zu“, sagt die Bäuerin. Besonders im bergigen Allgäu seien Höfe betroffen.
Die Zahlen vom Bayerischen Bauernverband aus dem Jahr 2013 weisen zwar noch ein leichtes Plus an Bio-Bauern aus, 199 neue Höfe kamen dazu, doch 182 Betriebe gaben den Öko-Betrieb auf. „Diese Zahlen widerspiegeln nicht die stark angestiegene Konsumentennachfrage nach Bioprodukten“, sagt Peters. Auch er befürchtet, dass das Anbindehaltungsverbot nur der Anfang war. Die EU-Kommission will die erlaubten Ausnahmen für Biobauern – etwa den Einsatz von konventionellem Futter oder Saatgut – abbauen. Auch die Grenzwerte für Verunreinigungen durch Pestizide oder gentechnisch veränderte Produkte sollen strenger werden. „Die ökologische Landwirtschaft findet nicht auf irgendeiner isolierten Insel unter Laborbedingungen statt“, betont Peters. Vielmehr sei bei Bio der Weg das Ziel.
Georg und Sabine Ücker befürchten, dass mit den neuen Richtlinien die Falschen bestraft werden. „Gerade die kleinen Betriebe sind mit Herzblut dabei, gerade die leben Bio noch richtig“, sagt die Landwirtin. Wer nur wenige Kühe halte, habe noch einen Bezug zu jedem einzelnen Tier, „aber die großen Betriebe schimpfen sich jetzt Bio“.
Die Familie hat vorgesorgt und sich ein zweites Standbein aufgebaut: Sie vermietet auch Ferienwohnungen. Die Nachfrage nach der Heumilch sei „immer noch da, aber ich spare mir jetzt die anstrengenden Kontrollen“, sagt Sabine Ücker. „Trotzdem ist es schade.“
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