"Idiotische Unsitte": Warum das Gipfelkreuz von der Zugspitze verschwindet!
Wer es zum Gipfel der Zugspitze geschafft hat oder zum Beispiel auf den Tegelberg bei Schwangau, verspürt womöglich das Bedürfnis, sich an diesem schönen Fleckerl Erde zu verewigen. Zum Beispiel mit einem Aufkleber.
Die Tegelbergbahn im Allgäu ist von diesem Trend nicht begeistert. Auf Facebook schreiben die Verantwortlichen vor wenigen Tagen: "Wir freuen uns, dass so viele von euch den Tegelberg lieben – aber bitte lasst eure Aufkleber trotzdem daheim. Unsere Schilder, Pfosten und Hinweistafeln sind keine Stickeralben."
Versehen ist die Bitte mit einem Smiley, aber dennoch wird auch ernst ausgeführt, welchen Arbeitsaufwand man mit einem unbedacht aufgeklebten Sticker auslöst: "Was viele nicht wissen: Das Entfernen kostet nicht nur Geld, sondern auch richtig Zeit und Nerven. Und wenn ein Schild unlesbar wird, kann es sogar gefährlich werden."
Von "Nett hier" bis "München ist rot"
Bei dem Beitrag findet sich auch das Bild eines Schildes, das man vor lauter Stickern kaum mehr erkennt. Zum Beispiel pappt der gelbe Klassiker darauf, den man mittlerweile überall auf der Welt sieht: "Nett hier." Ursprünglich mit dem Satz "Aber waren Sie schon mal in Baden-Württemberg?" – mittlerweile kann man sich den Sticker in allen Varianten im Netz bestellen. Aber genauso kleben auf dem Tegelberg nahe Neuschwanstein auch ein "München ist rot"- und ein "Südkurve München"-Sticker.
Entfernen mit Heißluftföhn, Spachtel und Kleberentferner
Auf Nachfrage der AZ teilt die Tegelbergbahn mit, dass das Problem in den vergangenen ein bis zwei Jahren enorm zugenommen habe. Eine Sprecherin schreibt: "Die Mitarbeiter der Tegelbergbahn verbringen pro Woche etwa drei bis fünf Stunden Arbeitszeit damit, die Aufkleber zu entfernen." Und zwar mit Heißluftföhn, Spachtel und Kleberentferner.
In unmittelbarer Umgebung der Bergstation entfernten sie regelmäßig die Aufkleber von Schildern, Panoramatafeln, Wegweisern und Geländern.
Die Kommentare unter dem Facebook-Beitrag sind eindeutig: "Eine komplett idiotische Unsitte", kommentiert ein Nutzer. Auch generell über die "Nett hier"-Aufkleber wird diskutiert. Einer schreibt bezogen auf jenen im Bild der Tegelbergbahn: "Der verpappt wenigstens nicht den Richtungspfeil. Schlimmer finde ich die Münchner Aufkleber."
Ist es erlaubt, Sticker auf Schilder zu kleben?
Ist es grundsätzlich erlaubt, Aufkleber etwa an Verkehrs-(schildern) anzubringen? Die AZ hat beim Bayerischen Innenministerium nachgefragt. Ein Sprecher sagt: "Das kann auf jeden Fall strafbar sein oder zumindest ordnungswidrig." Er verweist auf bundesweite Regeln, etwa auf den Paragraph 303 Strafgesetzbuch. Stichwort: Sachbeschädigung.
Darin heißt es: "Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Und weiter: "Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert."
Der Sprecher sagt im Gespräch aber auch, dass immer der Einzelfall angeschaut werden müsse, etwa ob die Schildsubstanz durch den Sticker beschädigt wurde.

Auch Paragraph 33 der Straßenverkehrsordnung könnte theoretisch greifen - wenn durch die Sticker die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird. Etwa wenn nicht mehr zu erkennen ist, dass es sich um eine Einbahnstraße handelt.
Dazu könnten auch noch kommunale Satzungen kommen. Das Innenministerium findet: Neben der "ästhetischen Beeinträchtigung" sollte man auch das begrenzte Budget der Kommunen bedenken. Diese müssten im Zweifel Geld aufwenden, um die Sticker zu entfernen. "Das kann teilweise ziemlich teuer werden."
Die Zugspitze fliegt das Gipfelkreuz zur Reinigung
Auch auf der Zugspitze kennt man das Problem mit den Stickern. Eine Sprecherin hatte der AZ im Juni gesagt: "Mittlerweile ist das Gipfelkreuz vollständig mit Stickern beklebt. Es gibt fast keine freie Stelle mehr." Die Folge: "Man muss sich zunehmend verausgaben, um einen Sticker immer höher aufkleben zu können. Das macht die ganze Situation noch mal risikoreicher."
Unter anderem deswegen hat man sich auf Deutschlands höchstem Berg entschieden, ein zweites Gipfelkreuz im Innenraum der Gipfelstation aufzustellen. Damit sich keiner mehr in Gefahr begibt, um einen Sticker aufzukleben. Dort darf ausdrücklich gepappt werden: "Neben dem Sicherheitsaspekt soll das Indoor-Gipfelkreuz ganz bewusst auch als Alternative für Sticker dienen und darf gerne beklebt werden", so eine Sprecherin der Bayerischen Zugspitzbahn am Dienstag zur AZ.

Beim Original-Gipfelkreuz will man im November die Aufkleber entfernen. Das geht aber nicht so einfach. Das Kreuz soll dafür mit einem Helikopter ins Tal geflogen werden. Die Kunstschmiede Würzinger in Eschenlohe werde es dann von Aufklebern befreien und neu vergolden.
Der Vorgang wird für die Revisionszeit geplant, ist allerdings auch wetterabhängig. Was Ausflügler interessieren dürfte: Bis zum Ende der Sommersaison am 9. November werde "das Kreuz auf jeden Fall an Ort und Stelle bleiben".
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