Auf zur Schluckimpfung!

Seine italienisch-stämmige Ehefrau, die er in München kennenlernte, ist schuld: Deren Familie inspirierte Jan Weiler nach einigem Zögern zu „Maria, ihm schmeckt’s nicht“, einer Migrationskomödie würde man heute sagen, die zum bestverkauften Debüt seit 20 Jahren avancierte.
Seit seiner Migrationskomödie „Maria, ihm schmeckt’s nicht“, ist der Erfolgsautor Jan Weiler gefragt, also auf Lesereise. Fünf Tage im Monat, elf Mal im Jahr. Drei-Monats-Touren will er sich nach deprimierenden Erfahrungen des Alleinseins nicht mehr antun. Denn: „Suchen Sie mal um 23.10 Uhr in Wolfsburg einen netten Ort, wo Sie ein Glas Wein trinken können.“ Von Nürnberg konnte Jan Weiler glücklicherweise nicht sprechen. Denn da liest er heute erstmals. In der Tafelhalle (20 Uhr; Karten an der Abendkasse) steht sein Reisetagebuch „In meinem kleinen Land“ im Zentrum, flankiert von „Stern“-Glossen und Lachfutter aus seinen beiden Italo-Bestsellern.
AZ: Herr Weiler, lassen Sie sich gerne vorlesen?
JAN WEILER: Nee. Ich bin ein schlechtes Publikum dafür. Wenn ich jemanden erlebe, wie er vorliest, höre ich zwar genau zu, aber eher im Hinblick auf Verbesserungen. Und bei Hörbüchern im Auto kann ich mich nicht lange konzentrieren. Das lullt mich eher ein.
Das heißt, Sie können die aktuelle Begeisterung für das gesprochene Wort auch nicht genau nachvollziehen?
Nicht so richtig. Ich finde natürlich die Begeisterung für mein gesprochenes Wort gut. Aber woher sie kommt, weiß ich nicht so genau.
Nicht weit entfernt, in Roth, liest heute ein weiterer Ex-Kollege der Süddeutschen Zeitung, Axel Hacke. Der Drang zum Buch ist groß. Sind Journalisten auf einmal die besseren Autoren?
Ach nein! Dahinter steckt eher ein Umdenken der Verlage. Ich bin ja nicht selber auf die Idee gekommen, Bücher zu machen, sondern ich wurde nahezu gezwungen. Ich hätte mich dem Publikum sicher nicht aufgedrängt. Und das ist bei vielen so. Ich glaube eher, die Entwicklung hängt damit zusammen, dass man Bücher heute besser promoten und schneller und leichter herstellen kann als früher. Da lässt sich mehr ausprobieren.
Das aktuelle Buch „In meinem kleinen Land“ würde ganz gut in die politisch korrekte Kampagne „Du bist Deutschland!“ passen, oder?
Weiß ich nicht. Es ist ja kein Appell. Das Buch ist weder Reiseführer, noch sagt es an einer Stelle: Komm’ mal nach Heidelberg! Es ist nur die ganz persönliche Schilderung einer 100 Stationen umfassenden Reise.
Aber am Ende steht die Erkenntnis: Das Land ist liebens- und lebenswerter, als wir glauben wollen.
Das stimmt. Aber auch das ist keine zu verallgemeinernde Aussage. Das ist mir so gegangen, weil ich, wie die meisten Menschen meiner Generation so sozialisiert bin, dass ich immer alles kritisch sehen muss. Man singt die Nationalhymne nicht mit, man findet das Fähnchenschwenken bei der WM ein bisschen peinlich und malt sich auch keine Fahne auf die Backe. Wir sind sehr zurückhaltend in unseren Sympathiebekundungen. Zumindest das finde ich ein wenig ungerecht.
Schreiben Sie, wie die Mehrheit denkt?
Habe ich mir ehrlich gesagt, noch nie Gedanken drüber gemacht.
Aber Sie greifen ja Themen auf wie Fußball, Trapattoni-Sprache, Schuhkauf. Da reden doch gerne viele mit.
Ist doch ok! Ich ahne, worauf Sie hinaus wollen: Was ich mache, polarisiert nicht.
Sie haben sich ja angeblich auch selbstironisch als „Weichei“ bezeichnet?
Das war ein bisschen überhöht geschrieben. Gemeint war damit: Wenn ich so selbstbewusst und völlig angstfrei wäre, wie das in der heutigen Umgebung eigentlich angebracht wäre, würde ich um mich herum alles verstehen und richtig einorden. Dann gehen einem die Themen aus. Gerade, wo Sie den Schuhkauf erwähnen: Da habe ich das Gefühl, ich befinde mich in einer winzigen Minderheit. Die meisten Leute tragen entsetzliche Schuhe.
Würden Sie sich als amüsierter Beobachter des Welttreibens sehen?
Ich bin gar nicht amüsiert. Ich finde vieles verdammt deprimierend. Aber wenn ich darüber schreibe, muss das unterhaltend sein. Wie bei einer Schluckimpfung: Sie müssen das Zeug auf ein Stück Zucker tun, sonst kriegen die Leute das nicht runter.
Ist das Klischee da auch der passende Würfelzucker für solche bittere Botschaften?
Na klar. Sie können, ohne Klischees zu verwenden, vieles gar nicht erzählen. Drehen sie einen Western ohne Western-Klischees – Sie werden scheitern. Selbst wenn Sie ernste Beobachtungen machen, müssen Sie die verhältnismäßig leicht verkaufen.
Nürnberg ist für Sie bislang ja unbefleckt. Könnte es sein, dass die Stadt ähnlich wie vorher Erlangen und Bamberg eines Tages in „In meinem kleinen Land, Teil II“ auftaucht?
Nein. Ich schreibe gerade an meinem neuen Roman und bin damit total ausgelastet. Und ich bin auch richtig froh, mir in Städten, in die ich komme, nicht dauernd Gedanken machen zu müssen, was schreibe ich jetzt darüber.
Worum geht’s im dritten Roman?
Schwer zu erklären. Da geht’s um eine Gruppe von vermeintlich Wahnsinnigen, die einen Top-Manager entführen, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Eine Satire, die ein ernstes Thema verdaulich machen soll.
Die Weiler-Fans müssen sich also nicht umstellen?
Nein. Man nimmt sicher nicht alle mit. Aber das mit Antonio Marcipane ist eben vorbei, auserzählt. Und jetzt mache ich mal was anderes.
Andreas Radlmaier