Artenschutz im Dauerlauf

Das Finale der Auslauf-Modelle: Ein Dutzend Aufführungen verschwindet bis zum Monatsende aus dem Spielplan des Nürnberger Theaters – und um einige davon ist es wirklich schade
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Auch eine letzte Vorstellung: Thomas Nunner als "Torquarto Tasso"
Klaus Schillinger Auch eine letzte Vorstellung: Thomas Nunner als "Torquarto Tasso"

Das Finale der Auslauf-Modelle: Ein Dutzend Aufführungen verschwindet bis zum Monatsende aus dem Spielplan des Nürnberger Theaters – und um einige davon ist es wirklich schade

Die Umzugs-Kartons stehen bereit, etwas Sondermüll wird im Nürnberger Schauspielhaus wohl auch zu entsorgen sein. Eine Art Erdbeben mit Selbstauslöser zertrümmert soeben das fleißig angesparte Repertoire. Schauspieldirektor Klaus Kusenberg, der mit seinem Ensemble zum Monatsende das sanierungsbedürftige Areal am Richard-Wagner-Platz für zwei Spielzeiten verlassen und in vorerst zwei weit auseinander liegenden Ausweichspielstätten provisorisches Quartier aufschlagen muss, hat sich mit Blick auf begrenzte Möglichkeiten zur radikalen Abmagerungs-Kur entschlossen. Bis 30. April, wenn nach der Auszugsparty der neue Saal an der Kongresshalle im Süden und die Tafelhalle im Osten der Stadt angepeilt werden, verschwindet ein Dutzend Produktionen auf Nimmerwiedersehen. Einige können auf Wehmut zählen.

Zunächst die beruhigende Nachricht: Die Dauerläufer „Sekretärinnen“ und „Shakespeares sämtliche Werke, leicht gekürzt“, beide mit mehr als hundert Vorstellungen im Nürnberger Bestseller-Bereich, bleiben ebenso wie der seit gut 35 Jahren im Spielplan verankerte Sonderfall „Schweig, Bub“ erhalten. Hier herrscht Artenschutz. Auch der aktuelle Renner, die matt geratene und dennoch ständig ausverkaufte „Dreigroschenoper“, wird ins Colosseum verpflanzt. Da kann sie, mit der jetzt dort entstehenden Inszenierung von „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ ab Herbst eine eigene Brecht-Ecke eröffnen.

Vorbei ist es dann mit der Blue-Box, die in dieser Form als etabliertes Behelfs-Zelt nicht zurückkehren wird. Einige der besten Aufführungen - klein, aber fein – verschwinden also. David Harrowers subtile Missbrauchs-Geschichte „Blackbird“ (17.4.) und Caryl Churchills punktgenauer Gen-Grusel „Die Kopien“ (25.4. und dann bei den Bayerischen Theatertagen in Ingolstadt); Mark Ravenhills „Produkt“ ist schon weg. Im ungedopten Solo „Die Tour“ strampelt Hartmut Neuber am 16.4. die letzte Runde.

Im großen Haus, wo der Spartenchef schweren Herzens die eigene „Faust“-Inszenierung opferte (mit knapp 50 Vorstellungen erreichte sie 25000 Zuschauer), gibt er seinen Zweit-Goethe „Torquato Tasso“ früher auf. Nach 18 Aufführungen vor Ort ist es am 26.4. vorbei mit Thomas Nunner als maulenden Künstler. Grade mal 13 Termine hatte Roland Schimmelpfennigs „Besuch bei dem Vater“, sofern die letzte Serie am 15., 18. und 22.4. durchgezogen wird.

In den Kammerspielen macht David Mamet das Licht aus. Seine Provokations-Klamotte „Romanze“ garantiert am 12., 19. und 29.4. nochmal krähenden Jokus und segnet im 13. Anlauf das Zeitliche. „Die Probe“, schwächelnde Vaterschafts-Dramödie von Lukas Bärfus, hört am 18.4. bei der 14. Aufführung auf. Der Beckett-Klassiker „Endspiel“ hat am 27.4. Finale schon bei Nr. 11 im Malsaal – Heiterkeit an Mülltonnen ist nach wie vor schwer verkäuflich.

Dieter Stoll

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