Anwältin für Tierrecht klärt auf: "Katze Mimi kann leider kein Vermögen erben"
München - Wenn Bulldogge Bello beißt oder Katze Mimi kratzt, kann das rechtliche Folgen haben. Sandra Schuhmacher hat sich auf Tierrecht spezialisiert. Die 49-Jährige vertritt etwa die Halter von Hunden, die wegen ihrer Rasse als potenziell gefährlich eingestuft werden – sogenannte "Listenhunde".
Manchmal begegnen ihr im Arbeitsalltag auch lustige Fälle. Etwa, wenn ein Vogel sein Geschäft auf Nachbars Grundstück verrichtet.
Anwältin für Tierrecht Sandra Schuhmacher: Um diese Fälle kümmert sie sich
Liebe Leserinnen und Leser, haben Sie rechtliche Fragen in Sachen Tierrecht an Sandra Schuhmacher? Schreiben Sie uns an: leserforum@abendzeitung.de. Sandra Schuhmacher wird diese für Sie beantworten. Die Antworten können Sie bald auf der Tierseite lesen.
AZ-Interview mit Sandra Schuhmacher: Die Anwältin für Tierrecht wohnt in Kirchheim bei München. Sie vertritt unter anderem das Tierheim und den Tierschutzverein.
AZ: Frau Schuhmacher, wie wird man Anwältin für Tierrechte?
SANDRA SCHUHMACHER: Mein Traum war es immer, mit Tieren zu arbeiten. Auch Gerechtigkeit ist mir ein Herzensanliegen. Als mein Rottweiler-Rüde Elvito bei mir einzog und ich mit den Problemen der Vorverurteilung und Einstufung als Listenhund zu kämpfen hatte, habe ich beschlossen, Tiere und Recht zu kombinieren.

Mit welchen Anliegen kommen Klienten zu Ihnen?
Beißvorfälle von Hunden kommen immer häufiger vor, nicht nur bei Listenhunden. Auch um Rassebestimmungen geht es. Dabei werden Fragen gestellt, wie: "Ist das nicht eher ein Listenhund der Kategorie I und sollte der dem Besitzer nicht lieber weggenommen werden?"
Wen vertreten Sie noch?
Zum Beispiel Menschen, die Exoten oder Reptilien halten und mit Behörden wegen Auflagen zur Haltung kämpfen. Bei einer Katze ging es zuletzt darum, dass sie auf einem anderen Grundstück ihr Revier markiert hat und sich die Besitzer dann über den Gestank geärgert haben.

Auch mit Mietrechtsstreitigkeiten kommen Kunden zu mir: Nachbarn, die angeblich Angst vor dem Hund meines Klienten haben. Hundebesitzer, die wegen ihres Tieres aus der Wohnung geworfen wurden.
"Die Tierhalterhaftpflichtversicherung sollte auch in Bayern Pflicht sein"
Was raten Sie, wenn eine Katze gekratzt oder ein Hund gebissen hat?
Leider versuchen viele Leute, durch solche angeblichen Vorfälle Geld zu kassieren und erstatten dann bei der Polizei eine Anzeige nach der anderen, anstatt einfach mit den Tierbesitzern ins Gespräch zu kommen. Was viele Menschen nicht wissen: In manchen Bundesländern ist eine Tierhalterhaftpflichtversicherung Pflicht, in Bayern leider nicht. Das sollte sich dringend ändern.
An welchen Fall denken Sie?
Ich hatte gerade einen sehr schwierigen: Eine Frau ist über die Leine von zwei 25-jährigen Hundebesitzern gestolpert, hat sich dabei verletzt und hat sie deshalb angezeigt. Die Begründung: Die Frau ist selbstständig und konnte ihren Beruf nicht mehr ausüben, ihre Mietkosten nicht mehr decken. Die beiden Hundebesitzer haben jedoch keine Tierhalterhaftpflichtversicherung. Sie können die Kosten jetzt nicht bezahlen.
Um welche Summen geht es?
Aktueller Stand: 400.000 Euro.
Unglaublich. Was passiert in solchen Fällen?
Die beiden können wahrscheinlich nur noch Privatinsolvenz anmelden und müssen das ihr Leben lang abstottern. Ganz wichtig: Sie brauchen eine Tierhalterhaftpflicht speziell für Ihr Tier, die private Haftpflichtversicherung deckt solche Schäden nicht ab!
Wie sieht Ihr Alltag aus – haben Sie auch mal Verhandlungen vor Gericht?
Ziemlich oft, ja. Bei Hunden gibt es oft drei Bereiche: Den zivilrechtlichen Teil, wo es meist um Schmerzensgeld geht. Zweitens, den öffentlichen Bereich mit Themen rund um Leine und Maulkorb. Und dann natürlich noch den strafrechtlichen Bereich mit Körperverletzungen.

"Katze Mimi kann leider kein Vermögen erben"
Dürfen Tiere denn mit in den Gerichtssaal?
Nein, leider nicht. Aber auf auswärtigen Terminen und in mein Büro begleitet mich mein Hund.
Kam schon mal jemand mit einem skurrilen Fall auf Sie zu?
Lustig (– aber nicht für meinen Klienten –) war mal ein Fall, wo ein Nachbar einen Strauch mit roten Beeren hatte. Auf dem saßen immer Vögel, die jedoch dann dauernd auf die Fliesen auf dem Grundstück meines Kunden ihr Geschäft verrichtet haben. Sein Natursteinboden hatte dann rote Flecken und er hat Schadensersatz gefordert. Er hat sogar ein Schild gebastelt mit der Aufschrift "Bitte drüben sch....." (lacht).
Wie ist das ausgegangen?
Der Strauch ist auf mysteriöse Weise einfach eingegangen.
Haustiere sind ja oft Familienmitglieder. In anderen Ländern können Besitzer sogar ihren Hund als Erbe einsetzen. Wie ist die Lage in Deutschland?
Nein, Katze Mimi kann leider kein Vermögen erben. Weil hierzulande Tiere laut Recht wie Sachen zu behandeln sind. Man kann aber jemandem sein Vermögen überlassen und als Auflage einfügen, dass derjenige sich auch um ein Tier sorgen muss.
Ein Tier zu vererben ist aber schon möglich, richtig?
Wenn man das möchte: ja.
Anwältin für Tierrecht: "Wenn es um Tiere geht, wird es schnell emotional"
Wie sieht es aus, wenn sich ein Paar mit Vierbeiner trennt? Kommt es da zu Streitigkeiten?
Das ist ein weiterer riesiger Bereich meiner Arbeit: Gerade bei nicht verheirateten Menschen, die einen Hund oder eine Katze halten und sich trennen, gibt es häufig Ärger. Da wird es auch sehr emotional. Es ist wichtig, vorher zu regeln, wem das Tier gehört, vor allem im Falle einer Trennung. Gerade erst habe ich ein Paar in der Kanzlei gehabt, bei dem der Mann ein Besuchsrecht für den Hund fordert.
Das klingt wie ein Sorgerechtsstreit um Kinder.
In vielen Fällen ist es genauso. Leider wird dabei auf das Tierwohl häufig nicht geachtet.
Dass Tiere hierzulande laut Recht als Sache gelten, wird von Tierschützern häufig kritisiert. Wie sehen Sie das?
Tierschutz ist zwar im Grundgesetz im Artikel 20a verankert, jedoch reicht dies allein nicht aus. Da muss sich etwas ändern. Allerdings müsste dann auch genau geregelt werden, wer die Rechte der Tiere durchsetzt. In der Schweiz gab es mal einen unabhängigen Anwalt für Tiere, vom Staat bezahlt. Sowas sollte es hierzulande geben, unabhängig von Behörden und Haltern.
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