Ansbach wartet auf Amoklaufprozess: 18-Jähriger vor Gericht

Er wollte möglichst viele Schüler und Lehrer töten und die Schule niederbrennen: Am Donnerstag beginnt das Verfahren gegen den 18-jährigen Georg R., dem Amokläufer von Ansbach.
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ANSBACH - Er wollte möglichst viele Schüler und Lehrer töten und die Schule niederbrennen: Am Donnerstag beginnt das Verfahren gegen den 18-jährigen Georg R., dem Amokläufer von Ansbach.

Drei Schüsse aus einer Polizeipistole haben wohl ein noch größeres Blutbad verhindert. Die Kugeln stoppten am 17. September 2009 den 18-jährigen Georg R., der an seiner Schule – dem Gymnasium Carolinum in Ansbach – Amok lief. In einer Art Tagebuch fanden die Ermittler auf seinem PC und einem Laptop später detaillierte Pläne für die Tat. Demnach wollte der Abiturient, der durch die Schüsse schwer verletzt wurde, möglichst viele Schüler und Lehrer töten und die Schule niederbrennen.

Ab Donnerstag (22. April) wird er sich vor dem Landgericht Ansbach verantworten müssen. Die Anklage wirft ihm versuchten Mord in 47 Fällen vor. Nach vier Verhandlungstagen soll am 29. April das Urteil gefällt werden.

Noch heute leiden Schüler des Gymnasiums unter den Erlebnissen und werden teilweise psychologisch betreut. Bei den zwei Schülerinnen, die durch einen Molotowcocktail und einen Axthieb schwer verletzt wurden, sind nach Angaben von Schulleiter Franz Stark zumindest optisch die Wunden verheilt. „Wenn man die beiden nicht vorher gekannt hat, wirken sie wie andere Schülerinnen auch“, sagt der Schulleiter.

Die Eltern der Mädchen werden als Nebenkläger auftreten. Für die Dauer des Prozesses wird es an der Schule keine Prüfungen geben, eventuell soll die psychologische Betreuung wieder verstärkt werden. „Zudem ist mit der Polizei besprochen, dass sie an der Schule präsent wird“, sagt Stark.

Der Prozess wird wohl unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, Prozessbeobachter erwarten einen entsprechenden Antrag des Verteidigers. Eine Tatsache, die Stark begrüßen würde: „Ich halte es für sehr günstig im Interesse der Schüler, die aussagen müssen.“ Diese hätten bisher bewusst die Öffentlichkeit gemieden, und es werde „sehr schwierig“ für sie, mit dem zu erwartenden Medienrummel fertig zu werden.

Ganz klar für einen öffentlichen Prozess spricht sich dagegen der Ansbacher Leitende Oberstaatsanwalt Gerhard Karl aus: „Schließlich hat die Tat gewisse Spuren in Ansbach hinterlassen.“ Karl fordert eine „möglichst breite Öffentlichkeit“, so lange es nicht um Hintergründe der vom psychiatrischen Gutachter festgestellten Persönlichkeitsstörung geht oder Schüler als Zeugen gehört werden.

Karl gibt zu bedenken, dass zur Motivlage des Täters ohnehin schon „relativ viel“ bekannt ist. Demnach handelte er aus Hass auf die gesamte Menschheit, speziell die Institution Schule. Am Tag des Amoklaufes trug er ein T-Shirt mit der Aufschrift „Made in School“. Die Tat plante er nach Erkenntnissen der Ermittler über Monate und informierte sich dabei auch detailliert über frühere Amokläufe in den USA und Erfurt.

Georg R. befindet sich derzeit im Bezirkskrankenhaus Ansbach, aufgrund seiner Erkrankung hält Karl es für sicher, dass am Ende des Prozesses die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung verfügt wird.

Nicht nur das Carolinum, auch der Ort Ansbach bereitet sich auf den mit dem Prozessbeginn zu erwartenden Medienrummel vor. „Jetzt kommt natürlich noch einmal vieles aufs Tablett, was in den Hintergrund getreten ist“, befürchtet die parteilose Oberbürgermeisterin Carla Seidel. Sie hat erst vor kurzem mit den beiden Mädchen gesprochen und zeigt sich tief beeindruckt: „Es ist erstaunlich, mit welchem Mut und Pragmatismus sie an die Bewältigung der Sache gehen.“

Trotz des Wiederaufkommens der Erinnerungen sei für die Schulgemeinschaft wichtig, dass der Prozess nun beginnt, sagt Stark. „Ich erhoffe mir eine gewisse heilende Wirkung, und dann haben wir, glaube ich, auch den Kopf wieder frei.“

ddp

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