40 Jahre unberührt: Oldtimer im ersten Stock entdeckt
Passau - Als der 60-jährige Erbe Heinz R. vergangene Woche die Pforten zu einem grünen Stadthaus in Passau-Neumarkt öffnet, entdeckt er ein sensationelles Museum über drei Stockwerke. Er betritt die verstaubte Welt eines Autohauses, in der vor 40 Jahren die Zeit stehen geblieben ist.
Dutzende Neonröhren flammen auf. In der Werkstatt im Erdgeschoss wartet ein orangenfarbener Roadster der britischen Marke MGB aus den 70er-Jahren auf Wartung. Das Stoffdach ist zurückgeklappt, die Luft aus den Reifen ist fast raus. Auf der Werkbank, unter einem von Efeu überwuchertem Lichtdach, liegt ein ausgebauter Ottomotor.
„Das Haus der guten Gebrauchtwagen seit 1928“, steht auf der Leuchtreklame über der Einfahrt. Ein langer schwarzer Ledermantel hängt auf einem Kleiderbügel neben der Hebebühne. Der Reisigbesen des Lehrlings lehnt an der Wand. Es riecht nach Schmieröl und Autoreifen.
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Den geheimnisvollen Stillstand schuf eine Familiengeschichte, die schnell erzählt ist: Der Autohausgründer und niederbayerische Ford-Großhändler Otto Hausmann hat – so belegen die letzten Tageszeitungen auf einem Schreibtisch am Empfang – offenbar 1975 den Betrieb geschlossen. Zwölf Jahre später, mit 82 Jahren, starb er.
Sensationsstück: Ford, Baujahr 1928
Seine Nachfahren hatten kein Interesse und tasteten das Autohaus nicht mehr an. Jetzt starb die letzte Eigentümerin. Sie hat in ihrem Testament das bewegliche Inventar einem Mann vermacht, dessen Vater ein uneheliches Kind des Autohausgründers war.
Eine Sensation ist der Schauraum im ersten Stock des Stadthauses: Hier steht ein Ford Baujahr 1928, passend zum Gründungsjahr des Betriebs. Daneben vier weitere Oldtimer aus den 1930er-Jahren. Über die große, dunkelgrüne Ford-Limousine werden Geschichten erzählt: Sie soll beim Katholikentag 1950 in Passau sogar Bundeskanzler Konrad Adenauergefahren haben.
Ein Fall für das Gericht
Mit Taschenlampen und Handyleuchten inspizieren Autohändler die beiden oberen Stockwerke. Hier reiht und stapelt sich in deckenhohen Holzregalen ein Ersatzteil- und Dokumentenlager, das wohl Oldtimerfreunde aus aller Welt in Verzücken bringt.
Die ein Dutzend „vergessenen“ Fahrzeuge ließ der Erbe, dem das Inventar überschrieben worden ist, bergen. Er hat in seinem Heimatort eine Halle angemietet und will sie dort restaurieren lassen. Was aus dem ehemaligen Autohaus wird, ist ungewiss. „Ich würde das Gebäude gerne kaufen“, sagt der neue Besitzer der Oldtimer. Aber das Haus selbst sei ein Fall fürs Nachlassgericht. Es gibt offenbar mehrere mögliche Erben.
Dass sich hinter der Fassade über alle Stockwerke bis zum Dach ein komplett ausgestattetes Autohaus mit Oldtimern versteckt, wussten wohl die wenigsten Passauer.
Wie die Fahrzeuge in den ersten Stock des Gebäudes kamen? Eine Hebebühne trug sie durch ein Loch in der Decke von der Werkstatt hinauf in den Schauraum. Die Vorrichtung soll der erste „Autoaufzug“ Deutschlands gewesen sein.
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