"Es gibt keinen härteren Job": Vincent Kompany spricht über Privatleben

Mit dem Durchbruch beim RSC Anderlecht nimmt Vincent Kompanys Karriere Fahrt auf. In Titeln ausgedrückt: mit Anderlecht zwei Mal belgischer Meister, mit dem HSV nix, aber mit Manchester City je vier Mal englischer Meister und Ligapokalsieger sowie je zwei Mal Pokal- und Supercup-Sieger – kein Wunder, dass die Citizens ihm ein Denkmal setzen. Und was für eins! Vier Meter hoch und mit den ausgebreiteten Armen sicher gut zwei Meter breit ist der steinerne Kompany vor dem Etihad Stadium im Osten Manchesters.
Was für eine Respektsbezeugung dieses Klubs, dem es in seiner langen Geschichte an großen Fußballern wahrlich nicht gemangelt hat. Elf Jahre spielte Kompany für City, acht Jahre als Kapitän, führte den Klub 2012 zum ersten Premier-League-Titel seit 44 Jahren. Für ihn haben die City-Fans sogar eine Liedzeile umgedichtet, und zwar die von Simon & Garfunkels "Mrs. Robinson": "And here’s to you Vincent Kompany. City loves you more than you will know. Woah woah woah."
WM-Bronze 2018 größter Erfolg für Kompany mit Belgien
In der Nationalmannschaft hat es dagegen nie so richtig gefunkt, obwohl Kompany damals Teil der "Goldenen Generation" um De Bruyne und Hazard war. Sein Debüt gibt er 2004, mit 17, gegen Desailly, Thuram, Vieira und einen gewissen Zinedine Zidane, der ihn prompt ein paar Mal nicht so gut aussehen lässt. Ab 2010 führt er das Team als Kapitän aufs Feld und darf sich 2015/16 für ein halbes Jahr über Platz eins der Fifa-Weltrangliste freuen. 2018 gibt‘s WM-Bronze – und dazu eine gebrochene Nase, ein Riss in der Augenhöhle und eine Gehirnerschütterung nach einem Ellbogencheck. Im Jahr darauf ist Schluss, mit 33, nach 89 Länderspielen.

Ohne Pause geht es weiter – als Spieler-Trainer bei seinem Jugendklub Anderlecht. Nach 13 Jahren kehrt der "Prins van het Astridpark" nach Hause zurück. Er bringt mit: sehr viel Inspiration. "Bei City habe ich in den letzten drei Jahren so viel von Pep Guardiola gelernt, der meine Liebe zum Fußball nur noch verstärkt hat", sagt er, "City spielt den Fußball, den ich spielen möchte." Was er nicht mitbringt: Erfahrung als Trainer. Es scheint, als ob er seine Gabel mit zu viel Heu belädt, wie die Niederländer sagen. Doch Kompany fragt sich nie, ob er je ein guter Trainer werden kann. Er scheint sich nur zu fragen, wie gut er werden kann.
Kompany steigt mit Burnley erst auf und dann wieder ab
Das erste Ligaspiel, zu Hause gegen Ostende, endet 1:2. Erst an Spieltag sechs, nach vier Niederlagen, gewinnt Anderlecht erstmals. Kompany, Spitzname Obama, sagt: "Wir glauben weder an den Hype noch an das Drama. Wir vertrauen dem Prozess." Mehr als 30 Spieler setzt er in dieser Saison ein, nicht zweimal hintereinander steht dieselbe Elf auf dem Platz. Frankie Vercauteren übernimmt für den Rest der Saison als Chefcoach, und danach ruft Guardiola an: Er suche einen Assistenten bei City. Kompany lehnt ab: noch zu früh. Wenig später: Leistenverletzung, Karriereende, Vercauteren fliegt raus, Kompany wird wieder Chef, bis man sich im Mai 2022 trennt.

Wieder dauert es nur ein paar Tage, bis Kompany sich in den nächsten Job wirft, bei der Fahrstuhlmannschaft FC Burnley: Fünf-Jahres-Vertrag, bis 2028, als erster Ausländer dort auf dem Trainerposten. Kompany schafft den Aufstieg, schon sieben Spieltage vor Schluss: 29 Siege in 46 Spielen, ein Rekord jagt den nächsten. Gepflegter Kombinationsfußball, Flair, Finesse, Tore im Überfluss. Danach in der Premier League: Kaufrausch, 39 Mann im Kader, aber 16 Niederlagen in den ersten 20 Spielen, Abstieg als Vorletzter.
Trotz langfristigem Vertrag in Burnley: FC Bayern holt Kompany
Kompany wird ein zu offensiver Stil vorgeworfen, ohne Plan B oder die Bereitschaft, auf einen solchen umzuschalten. Er soll auch zu lange gezögert haben, um die Defensive zu stärken. Sturheit wird ihm immer am häufigsten vorgehalten. Dabei hat er oft schönen Fußball spielen lassen: gepflegt, aus der Abwehr heraus aufgebaut, fast schon Lehrbuchfußball – aber auch ein bisschen naiv, wie schon bei Anderlecht. Aber wie Anderlecht war auch Burnley nicht Manchester City, nach Meinung mancher immer noch Kompanys Referenz.
Nach dem direkten Wiederabstieg mit Burnley die nächste Überraschung: Der FC Bayern holt ihn! Die Schweizer Tageszeitung "NZZ" fragt sich stellvertretend für viele: "Kann Kompany als achte Wahl an Bayerns Ruhm anknüpfen?" Eine Frage, die sich Kompany nicht stellt. Sein Lebensmotto lautet: Chancen ergreifen und sich nicht darum scheren, was andere denken.
Tuchel-Nachfolge beim FC Bayern: Kompany nicht die erste Wahl
Monatelang hatte der FC Bayern die Liste der potenziellen Nachfolger von Thomas Tuchel abgearbeitet: 15 oder 16 Trainer, darunter Namen wie Xabi Alonso, Hansi Flick, Julian Nagelsmann, Unai Emery, Roberto De Zerbi, Ralf Rangnick, Oliver Glasner, Roger Schmidt, Erik ten Hag. Sogar Tuchel wird gebeten, trotz Vertragsauflösung weiterzumachen. Alle winken dankend ab, und so kaufen die Bayern Kompany aus seinem laufenden Vertrag in Burnley raus, für zehn bis zwölf Millionen Euro Ablöse und bieten ihm einen Vertrag bis 2027 an. Jahresgehalt: angeblich bis zu 15 Millionen Euro.
Am 29. Mai 2024, gegen elf Uhr, tritt der Neue vor die Presse, Hände in den Hosentaschen, weißes Hemd, schwarze Hose. Nach Eric Gerets, Marc Wilmots und Karel Geraerts der vierte belgische Trainer in Deutschland. Sein Auftreten: selbstbewusst und doch bescheiden, mehr als überzeugt von seiner Meinung, ohne anmaßend zu wirken. Ruhig, als würde er der Oma, dem Nachbarn oder dem Sohn am Küchentisch eine Geschichte erzählen. Manchmal ein wenig sensibel, oft bemerkenswert intelligent. Höflich, immer in Sätzen antwortend, Komplimente einstreuend, voller Dank für die Vorschusslorbeeren. Er grüßt auch auf Bayrisch: "Servus."
Uli Hoeneß: "Kompany ist ein Glücksfall für den FC Bayern"
Ob er nicht überrascht sei, dass er mit Burnley abgestiegen sei und dennoch von den Bayern angefragt wurde. Er antwortet, er sei am Brüsseler Nordbahnhof aufgewachsen, sein Vater aus dem Kongo geflohen. Wie groß war seine Chance, es als Profifußballer zu schaffen? Genau: null Komma null null eins. Sportdirektor Christoph Freund findet, Kompany passe "sehr gut zur Spielphilosophie und Identität des FCB. Seine Mannschaften wollen den Ball haben, dominant sein und mit hoher Intensität Fußball spielen." Max Eberl nennt ihn "einen der interessantesten Trainer in Europa, mit Erfahrung auf höchstem Niveau, eine beeindruckende Persönlichkeit, Kapitän eines der größten Vereine der Welt. Er stand schon lange auf der Liste. Er bringt etwas Neues mit. Schade, dass wir ihn nicht sechs Wochen früher getroffen haben, dann wären alle anderen Gespräche überflüssig gewesen."

Nach den ersten Wochen jubelt Bayern-Boss Uli Hoeneß: "Kompany ist ein Glücksfall für den FC Bayern. Er sieht Fußball als Arbeit an, möchte die einzelnen Spieler besser machen, und daran arbeitet er. Es kommt auch mal vor, dass die zwei Stunden trainieren, bis sie müde sind. Seitdem der da ist, gehe ich wieder richtig gern ins Stadion. Das ist Unterhaltung, du hast Spaß." Defensiv bleiben die Bayern aber durch Kompanys taktische Entscheidungen verwundbar, vor allem gegen Spitzenteams. Doch es ist ein Risiko, das Kompany bereit ist einzugehen, gemäß der Maxime "Man kann kein Omelett kochen, ohne Eier zu zerschlagen."
"Wir sind Gegensätze": Kompany privat eher zugeknöpft
Als ein paar durchaus wechselhafte Monate mit dem Trainer Kompany ins Land gegangen sind, sagt Hoeneß im AZ-Interview: "Ich bin der Meinung, dass Vincent endlich mal wieder ein Trainer ist, der länger bei uns bleiben könnte, was dem Verein guttäte. Denn wenn die Wechselei an der Trainerspitze sehr volatil war, war auch die Leistungsfähigkeit der Mannschaft nicht besonders gut." Der letzte Übungsleiter, den es länger als 1.000 Tage in München hielt, war Guardiola, zwischen 2013 und 2016. Die längste Amtszeit? Ottmar Hitzfeld blieb zwischen 1998 und 2004 insgesamt 2191 Tage. Kompany? Schaun mer mal.

Und wie ist er so privat? Eher zugeknöpft. Seine Frau Carla Higgs lernt er in seiner HSV-Zeit kennen. Die Britin mit den langen schwarzen Haaren, die sehr viel kleiner ist, beschrieb ihre Beziehung mal so: "Wir sind Gegensätze. Er ein Gentleman, immer korrekt und gepflegt, achtet immer sehr darauf, was ihm passt oder nicht passt. Ich hingegen bin ein fehlgeleitetes Projektil. Ich bin laut und in your face, also sehr direkt." Tochter Sienna kommt 2010 zur Welt, zwei Jahre später Sohn Kay und wieder zwei Jahre später Sohn Caleb. Kompany hat mit dem Nachwuchs alle Hände voll zu tun, gibt er zu: "Es gibt keinen härteren Job, als Eltern zu sein. Der Druck, vor 90.000 Zuschauern zu spielen, ist erträglich. Aber die Verantwortung für meine Kinder ist bei Weitem der härteste Job in meinem Leben."