München auf traurigem Platz 1: Beliebte Vogelart nirgends so selten wie hier

Draußen im Café pickt ein Spatz am Nachbartisch die letzten Krümel vom Kuchenteller. So eine Beobachtung kann man in der Münchner Altstadt gar nicht mehr machen. Das sagt zumindest Oliver Wittig. Seit 20 Jahren engagiert er sich in München ehrenamtlich beim Landesbund für Vogelschutz (LBV), zum Beispiel macht er Jahr für Jahr bei der Vogelzählung mit. Er ist außerdem ÖDP-Mitglied und weiß: "Innerhalb des Altstadtrings gibt es keine Spatzen mehr." Die letzte Kolonie sei verschwunden, als die Bahn mit der Baustelle für die S-Bahn auf dem Marienhof begann. Auf der Wiese fanden sie früher ihre Nahrung. In den Gebäuden drum herum brüteten sie.
"Man hat die Spatzen nicht aus der Münchner Altstadt vertrieben, aber man hat ihnen den Lebensraum genommen", sagt Wittig. Schon vor Jahren hat der LBV festgestellt, dass in keiner anderen deutschen Stadt so wenig Spatzen leben wie in München. Der Bestand gehe in ganz Europa zurück. In Bayern steht der Spatz sogar auf der Vorwarnliste der gefährdeten Arten, also unter strengem Schutz.
Wiesen und Nistplätze fehlen in München
Woran liegt es, dass sich der Spatz hier nicht mehr wohlfühlt? "An der extremen Versiegelung", antwortet Wittig. In München, insbesondere im Zentrum, gebe es kaum Grünflächen. Aber auch Nistplätze fehlen. "Spatzen sind Gebäudebrüter. Das heißt, sie brüten in Dächern und in Löchern von Fassaden", sagt Wittig. Doch wenn Häuser renoviert würden, würden solche Ritzen oftmals verschlossen. "Außerdem müssen Spatzen in Sand baden, so befreien sie sich von Parasiten", weiß der Naturschützer. Baubrachen seien dafür geeignet. Doch auch solche Flächen gebe es in München kaum. Ein weiteres Problem sei, dass Gärten und Parks zu "sehr geputzt" würden. Also: Der Rasen wird zu oft gemäht. Wiesen, wo Löwenzahn wächst, dessen Samen die Spatzen lieben, gebe es kaum.
Was kann München tun? Die ÖDP hat Ideen
ÖDP-Chef Tobias Ruff macht nun Vorschläge, was München tun könnte, um wieder Spatzen-freundlicher zu werden. Er fordert, dass Hauseigentümer Zuschüsse für die Pflanzung heimischer Hecken und den Einbau von Niststeinen bekommen. Das sind hohle Steine, die man unter dem Dach anbringen kann und die den Spatzen Platz zum Nisten bieten. Für so ein Förderprogramm müsste die Stadt laut der ÖDP nicht viel Geld ausgeben. Sie rechnet mit maximal 30 Euro für ein Nistmodul.
Außerdem beantragt die ÖDP, dass die Stadt etwa in Moosach, der Au oder im Westend Flächen schafft, wo sich Spatzen wohlfühlen – mit Blühwiesen, Hecken und Wasserstellen.
Auch die Münchner Schulen und Kitas sollen nach und nach mit Nistplätzen ausgestattet werden, fordert die ÖDP. Der Spatz brauche, findet ÖDP-Chef Tobias Ruff, "dringend unsere Hilfe, damit sich seine Population wieder erholt. Deshalb wollen wir die Sperlinge unter unsere Fittiche nehmen."