Als die Bayern noch auf Tiroler schossen: Ein Buch über Andreas Hofer und den Aufstand von 1809
Rotwein und Rosenkranz Ein Biografie über Andreas Hofer
In jedem besseren Touristenort unseres südlichen Nachbarlandes gibt es ein Hotel oder ein Wirtshaus, das seinen Namen trägt. Und falls doch nicht, hängt der Bärtige irgendwo an der Wand. Oder die örtliche Apotheke ist nach ihm benannt. Man kann T-Shirts mit seinem Porträt kaufen. Oder auch Speck.
Andreas Hofer ist der Tiroler Nationalheld. Und das durchaus im engeren Sinn: Er war der Anführer des Freiheitskampfs von 1809. Der richtete sich leider gegen uns: Nach der Niederlage gegen Napoléon Bonaparte wurde Tirol im Frieden von Pressburg 1805 an Bayern abgetreten. Das missfiel den österreichtreuen Tirolern. Halbherzig unterstützt durch Wiener Hintermänner wagten sie den Aufstand.
Dass es sich bei Hofer um eine eher schwierige Figur handelt, darf seit einiger Zeit auch in Tirol gesagt und geschrieben werden, ohne dass gleich grimmige Schützenverbände mit Blasmusik aufmarschieren. Der in Lienz geborene Historiker Michael Forcher hat eine klar geschriebene und klar argumentierende Biografie des Freiheitshelden verfasst.
Ein Gebirgskrieg ist nicht zu gewinnen
Sein Buch „Andreas Hofer und der Tiroler Freiheitskampf von 1809“ ist auch für alle bayerischen Leser interessant, die über unser südliches Nachbarland mehr erfahren wollen als die Schneehöhe auf den Skipisten und die Öffnungszeiten der Berghütten. Forcher beginnt mit einer wenig beachteten Vorgeschichte: Schon 1703, im Spanischen Erbfolgekrieg, versuchte Bayern das südliche Nachbarland zu besetzen. Die Truppen des Kurfürsten Max Emanuel erlitten aber an der Pontlatzer Brücke bei Landeck eine Niederlage und wurden aus dem Land getrieben.
Nicht viel besser ging es den ersten napoleonischen Armeen, die 1796 von Süden her in die Alpen vorrückten: Mythisch wurde das Gefecht bei Spinges nördlich von Brixen, bei dem es schlecht bewaffneten Tirolern gelang, den Vormarsch französischer Truppen nachhaltig zu schwächen.
Die Briten, Russen und Amerikaner machten in Afghanistan die gleiche Erfahrung wie die Franzosen und ihre bayerischen Verbündeten in Tirol: Eine technisch hochgerüstete, disziplinierte Armee kann im unwegsamen Gebirgsgelände gegen einen mit Guerilla-Taktik agierenden Gegner nicht gewinnen. Ideologisch stärkten sich die Tiroler mit einem Herz-Jesu-Gelöbnis gegen die Anfechtungen aus Frankreich. Dass Tirol trotzdem bayerisch wurde, war der österreichischen Niederlage bei Austerlitz zu verdanken. Und zwei bayerischen Förstern, die 2000 Franzosen von Mittenwald aus um eine Sperrfestung in der Leutasch herumführten. 1806 nahm das neue Königreich Bayern Tirol in Besitz. Reformen im Gerichts- und Schulwesen wurden lediglich von den städtischen Minderheiten begrüßt. In den Bergen und Tälern machen sich die Bayern vor allem durch die Säkularisierung von Klöstern und Reformen des kirchlichen Brauchtums unbeliebt.
Der Wortbruch des Königs
Das Fass zum Überlaufen brachte der Wortbruch des Königs Max I. Josef, der 1806 zugesichert hatte, die althergebrachte landständische Verfassung Tirols zu respektieren. Doch die Verfassung von 1808 machte aus dem Land im Gebirge ein „Südbayern“. Dann sollten die Tiroler Militärdienst leisten, was den von den Habsburgern verbrieften Landesfreiheiten aus dem 16. Jahrhundert widersprach.
1809 entlud sich der Widerstand gegen die bayerische Politik in einem Volksaufstand, der von Andreas Hofer, Josef Speckbacher und dem obskuren Kapuziner Pater Joachim Haspinger angeführt wurde. Letzterer hatte zuvor behauptet, mit der Pockenimpfung solle Tiroler Seelen „bayerisches Denken“ eingepflanzt werden. Die von Hofer angeblich mit dem Rotwein in der einen und dem Rosenkranz in der anderen Hand kommandierten Bauern gewannen ein später zur „Schlacht“ stilisiertes Gefecht am Berg Isel. Dann zogen sie in Innsbruck ein. Bayernfreundliche und jüdische Haushalte wurden geplündert, Verfolgte versteckten sich in Klöstern.
Hofer regierte Tirol nach seinem Sieg unbeholfen im Geist eines dumpfen Klerikalismus: Er verbot nach dem Sieg alle „Bälle und Feste“ und befahl per Erlass, dass „Frauenzimmer“ nicht mehr „ihre Brust und Armfleisch zu wenig und mit durchsichtigen Hadern bedecken“ durften. Wirtshäuser sollten während der Gottesdienste geschlossen bleiben.
Trotz Amnestie und Frieden weitergekämpft
Nach weiteren Kämpfen wurde Tirols Schicksal außerhalb des Landes entschieden: Im Frieden von Schönbrunn vom Oktober 1809 blieb Tirol bei Bayern. Hofer und seine Leute glaubten allerdings lieber einem obskuren, als Druck verbreiteten „Handbillett“ des österreichischen Kaisers mit dem Versprechen, Tirol nie wieder abzutreten. Damit begann der Niedergang. Hofer verlor die Unterstützung bei weiten Teilen der Tiroler, die nur noch ihre Ruhe wollten. Der mit den Tirolern sympathisierende Kronprinz und spätere König Ludwig I. reiste nach Innsbruck, französische Truppen brachen den Widerstand.
Hofer zog sich ins heimatliche Passeiertal zurück. Dort kippten Scharfmacher Schnaps in seinen Rotwein. Der Tiroler Taliban kämpfte trotz der Zusicherung einer Amnestie weiter. Hofer floh auf eine Alm, wurde verraten, vor das Kriegsgericht gestellt und 1810 auf Betreiben Napoleons in Mantua hingerichtet.
Das, und nicht der absurde Kampf bis zum bitteren Ende, machte ihn zum Mythos. Mit gehörigem zeitlichen Abstand: Als Tirol nach dem Wiener Kongress wieder an Österreich kam, war den Habsburgern ihre halbherzige Unterstützung der Aufständischen peinlich. Die meisten Reformen der bayrischen Zeit wurden beibehalten, Tirols alte Freiheitsrechte nicht wieder hergestellt.
Forcher zeichnet im Schlusskapitel die Legendenbildung um Hofer bis zur Gegenwart nach. Deutlich wird auch, dass Tirol um 1800 und lange danach bis zum Gardasee reichte. „Südtirol“ war damals das heutige Trentino. Dessen Enttirolerung ist ein Produkt nationalistischer Scharfmacher des späten 19. Jahrhunderts. Und Hofer, der im Trentino seine Lehrzeit als Viehhändler verbrachte, sprach natürlich auch italienisch.
Michael Forcher: „Andreas Hofer und der Tiroler Freiheitskampf von 1809“ (Haymon, 302 Seiten, 14.95 Euro)
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